Nr. 150. Die Rebhühner.

[135] Es ist einmal ein Kaufmann von Klausthal nach Osterode gegangen. Wie er in die Gegend hinkommt, die jetzt der Heiligenstock genannt wird, sprengen zwei Menschen auf ihn los und greifen ihn an. Der Kaufmann ist unbewaffnet gewesen und hat sich gegen die beiden Räuber nicht wehren können. Er bittet sie daher, sie möchten ihm doch das Leben lassen, das Geld möchten sie nehmen. Aber die Räuber sagen: Wenn wir dir das Leben lassen, so verrätst du uns. Du mußt[135] sterben. Er schwört zwar hoch und teuer, daß er sie nicht verraten will, aber vergeblich. Wie sie ihm die Kehle abschneiden wollen, indem fliegt ein Schwarm Vögel vorbei. Da sagt der Kaufmann: Nun, wenn ihr denn keine Barmherzigkeit haben wollet, so sollen euch diese Vögel verraten. Aber die Räuber lachen und schneiden ihm den Hals ab. Darauf gehen sie nach dem Klausthal zu. Wie sie vor die Ziegelhütte kommen, sagt der eine: Weißt du was? Wir wollen erst einen nehmen. Gut das Ding! Sie gehen also hinein. Wie sie in der Stube sind, fragen sie den Wirt, was er gutes zu essen habe. Hübsche Vögel, eben erst gefangen. Gut! bringt uns ein Gericht! Das thut auch der Wirt. Wie sie die Vögel fast aufhaben und auch einen Tüchtigen dazu genommen haben, werden sie lustig und fangen an verblümterweise miteinander zu reden und zu spotten, und der eine sagt zuletzt: Am besten im Bauch, da können sie's nachher dem A.....t verraten. Darüber fangen sie höllisch an zu lachen. Nun hört nur zu, wie das Ding noch kommt! Hinter dem Ofen da liegt der Knecht und hört dies, und bei Gelegenheit macht er sich auf und steckt's dem Wirt. Der denkt Halt! das ist nichts Richtiges, schickt den Knecht nach Klausthal, und hält die Räuber durch allerlei Gespräch am Tisch, bis die heiligen Engel (die Gerichtsdiener) von Klausthal kommen und den Räubern frei Quartier im Gefängnis anweisen. Nach vier Wochen haben sie schon am Galgen gehangen. So haben doch die Vögel die Spitzbuben verraten. An der Stelle aber, wo der Mord geschehen ist, hat man ein Kreuz aufgerichtet und davon hat der Ort den Namen Heiligenstock erhalten.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 135-136.
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