Zu den Sagen von der Harburg, von Wernigerode, Nöschenrode und Hasserode.

(S. 49-77.)

[221] Zunächst ein Nachtrag:

Der Graf hatte erfahren, daß in der Stadt Wernigerode ein sehr geschickter Mann Namens O....... wohne, den ließ er zu sich kommen und trug ihm vor, ob er nicht ein laufendes Wasser ihm auf sein Schloß führen könnte. Jener erklärte: Wollt Ihr mir die Verbrecher, die Ihr in Eurem Gefängnisse habt, losgeben, so will ich meine Kunst zeigen. Der Wunsch soll Euch gewährt sein, war die Antwort. Darauf machte O........ ein Verbündniß mit dem Satan, dem er seine Seele versprach, und fing mit seinen beiden Gefangenen die Wasserleitung an abzugraben. Sie hatten die Leitung[221] aber noch nicht ganz fertig, da ließ O........ dem Satan merken, daß er ihn betrügen wollte und dieser zerstörte den Bau selbst. Das hatte O........ nur gewollt. Durch diese erste Zurichtung hatte O........ sich so viel Kenntniß erworben, daß er eine neue Leitung machte und das Wasser glücklich oben auf das Schloß brachte. Dafür stellte der Graf O........ es frei, er könnte für seine Mühe sich entweder die sogenannte Charlottenlust, oder die Heidemühle, die zu jenen Zeiten eine Zwangsmühle gewesen ist, nehmen; O........ nahm die Mühle. Weil nun der Satan keine Tücke an dem O........ ausüben konnte, so stellte er das Wasser statt in der alten Stadt in der Neustadt herunter, dadurch verlor die Mühle so viel Wasser, daß er nicht fortwährend mahlen konnte, und der Mahlzwang ist von der Mühle genommen, weil er den Leuten ihr Getreide nicht immer mahlen konnte.


Ein zweiter Nachtrag:

Auf Tischler Ulrichs Wiese steht ein Schatz, der ganz Wernigerode zweimal wieder auferbauen kann.

Der Kreuzberg. Nr. 128. Sagen von der Harburg. Nr. 129-131. Der Berg, worauf die Harburg gestanden, hieß sonst Hartenberg, wie dieser Name in ältern Urkunden vorkommt, namentlich in einer des St. Sylvesterstiftes. Hart ist Wald und in vielen Ortsnamen am Harz, der ja ebenfalls seinen Namen davon hat.

Die Sage von Rutschefort ist, wie schon S. 183 angedeutet ist, in dieser Form spätern Ursprungs und zwar aus der Zeit, wo aus der Königsteinschen Erbschaft Rochefort an das Stolbergsche Haus kam und in den Gräflichen Titel mit aufgenommen wurde.

Die Königsteinsche Erbschaft fiel dem Hause Stolberg 1535 zu und zwar hiervon nur die Rochefortsche Herrschaft, worüber ein langer Prozeß mit dem Hause Löwenstein geführt wurde, der erst im Jahre 1755 endigte. Rochefort liegt im Luxemburgischen.

Nr. 129-131. Vergl. unsere Abhandlung über die Zwerge in Familiensagen und Kuhn und Schwarz S. 175 und 176. Der Kreuzberg (vergl. auch S. 182) soll ein Calvarienberg gewesen sein.[222]

Nr. 128. Auch in Wallnußtöpfen wird Bier gebraut. Als das Zwergkind darüber an zu reden fängt, sagen die Leute: »So bist Du so klug und so alt!« und prügeln es. Uebrigens vergl. Nr. 248, 293 und 368. Harzsagen S. 209. W. Müller und Schambach S. 133. J. Thaler »können auch in Tyrol Spuren von germanischem Heidenthume vorkommen?« in Wolfs Zeitschrift I, S. 290.

Die Glockenblumen oder Pfingstrosen auf den Zwölfmorgen. Nr. 145. Die sogenannte Zwölfmorgenblume ist Trollius Europaeus Linné XIII, Kl. VI. Ordnung Kugelranunkel, sie findet sich auf dem ganzen Ober-Harze.

Die Zwerge von der Heidemühle. Nr. 149. Der Zwergname Trultram erinnert merkwürdig an den Zwergkönig Trutram (vergl. Harzsagen S. 259-260). Trolltram wird im schwedischen Liede von Torkar der Teufel genannt, von welchem der Hammer geraubt wurde (Mythologie S. 223).

Venediger im Bärenloche. Nr. 157. Vergl. die Abhandlung vom Hirsch zu den Venedigersagen. Im 15. Capitel des Froschmäusler tritt ein Alchymist aus Venedig auf, welcher gekommen ist, »Weil er vom alten Münch vernommen.« Und ebenda heißt es im 16. Capitel:


»Die Stadt Venedig wird dergleich

Von solchen Künsten trefflich reich.

Da auch der Münch die Kunst gestohlen« u.s.w.


Das Pferd von Nöschenrode. Nr. 158. Vergl. Nr. 159-161, 164. Kuhn und Schwarz S. 176 und die Anm. S. 491.

Reiter verschwindet im Teich. Nr. 165. Der eigentliche Name des Berges ist Hörstberg. In Niedersachsen bedeutet Horst (plattd. Host) ein einzelnes im Felde liegendes Gehölz.

Sage vom alten Wernigeröder Waisenhause. Nr. 166. Der Kaufmann Ludwig Meyer wird der Bäcker Meyer sein sollen auf der breiten Straße nahe am Markte, denn hier hat das frühere Waisenhaus gestanden.

Feuersbrunst. Nr. 167. 168. Die erste Wernigeröder Feuersbrunst, so weit unsre Geschichte reicht, war 1455 gewesen, im Sterbejahre des Grafen Botho, des ersten[223] Wernigerödischen Stolbergers. 1528, den 6. August, war die zweite unter Graf Botho dem Glückseligen. Darauf folgte die von 1751, um die es sich handelt. Die vierte große war 1847 am Sonntage Palmarum. S. Bericht über das der Stadt Wernigerode im Jahre 1847 widerfahrene Brandunglück und die ihr dabei zugewandte Hülfe, erstattet von dem Unterstützungsvereine. (Die Geschichte der frühern Feuersbrünste ist daselbst vom Pastor Friedrich und Oberlehrer Kallenbach verfaßt).

Unsere Sage meint, wie schon bemerkt, die dritte große Feuersbrunst vom 30. Juni 1751. Sie ging auf der breiten Straße nur bis an das Haus, welches jetzt von dem Kaufmann Fischer bewohnt wird, und nicht bis an das Hertzer'sche Haus.

An Fischers Hause ist ein Denkstein eingemauert mit folgender Inschrift:

Feralis incendii media in urbe die XXX. Junii circa meridiem anno MDCCLI infeliciter oborti plusque trecenta aedi ficiaconsumentis, terminum hic esse jussit propitius praepotensque Deus, cui grates laudesque sunt exsolvendae per saecula omnia.

Das Volk glaubte, daß Graf Christian Ernst das Feuer besprechen könne.

Der Bärenstein vor der Neustädter Schenke. Nr. 171. Die Neustädter heißen auch Hirschfänger. Nach Kuhn, Märk. S. Nr. 228 werden auch die Einwohner der Stadt Mohrin häufig, wenn sie in anderen Orten der umliegenden Gegend erscheinen, Bärenstäker genannt. Dies wird durch einen von Kuhn mitgetheilten Schwank, wonach die Mohriner gar keinen wirklichen Bären gejagt hätten, begründet. Der Neustädter Stein und die Wiederkehr der Sage selbst an verschiedenen Orten zeigt ihren echt mythischen Grund.

Der Ziegenbocksreiter, das Johannisthor und die Johanniskirche. Nr. 172. Auf dem Claushofe zeigt sich auch eine Ziege.

Das Hickemännchen. Nr. 173. (In Wernigeröder Mundart). Vergl. »Das Hickeding«, Harzsagen S. 145 und 146 und die zugehörige Anm. S. 272-276.

Nächtliches Orgelspiel in der Kirche zu Hasserode. Nr. 174. Diese Sage und Nr. 196 zeigt eine[224] schwärmerische Rückerinnerung an eine frühere, gleichsam verloren gegangene Religion, welche man bei unserm norddeutschen Volke nicht suchen sollte.

Pastor Reccard. Nr. 179-180. (Zum Theil in Wernigeröder Mundart). So und nicht Reckhart, wie im Texte steht, ist zu schreiben. Joh. Phil. Reccard aus Wildungen im Waldeck'schen war 1733 Prediger zu Stapelburg, 1733 bis 1735 zu Wasserleben, 1735-1755 Diakonus und 1755 bis 1772 an der Johanniskirche zu Wernigerode, über welche S. 68 Nr. 172 zu vergleichen ist.

Unterirdische Gänge. Nr. 197. Der Name Rektorhof möchte irre führen, da der Rektor jetzt ein anderes Haus bewohnt. Der Hof heißt der »Rüdigersche Hof«. Der Name Rektorhof ist dadurch entstanden, weil früher es einmal die Rektoratswohnung gewesen ist.

Der Brunnen bei der Himmelpforte. Nr. 215. Man sieht wie hier Sage und Geschichte sich mischt. Es ist Heinrich Horn damit gemeint, der das Salvatoris-Hospital im Jahre 1554 für 12 Arme stiftete. (Das Nikolin-Hospital ist viel älter, sowie auch die Nikolin-Kirche.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 221-225.
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