123. Der Eseltreiber und die zwölf Esel in der Trift zwischen Wallwie und dem Kirchberge.

[46] Meiner Frauen Großvater, so erzählte ein alter Osterwiecker, hat Wegener geheißen, der ist ein Dachdecker gewesen und hat einen Gesellen gehabt mit Namen Siegelmann. Dieser ist oftmals des Mittags 12 Uhr weggegangen und dann erst um 2 Uhr wieder zur Arbeit gekommen. Da hat sein Meister denn oft gescholten und gefragt, wo er immer so lange bleibe. Er aber hat geantwortet, er ginge nach Wallwie, denn da haben die Tatern zu ihm gesagt: er sollte noch ein paar Mal kommen, dann wollten sie ihm den »rechten Grund« sagen. Da kommt er den einen Mittag erst um 3 Uhr wieder heim; sein Meister aber ist sehr aufgebracht und meint, daß er es mit ihm nicht mehr abhalten könne. Nun, Meister, erwiedert er, ist es das letzte Mal. Morgen gehe ich nach Veckenstedt, da soll ich 12 Tragsäcke und Esel kaufen, dann soll ich die Nacht hinkommen nach[46] Wallwie und soll die 12 Esel mit Gold beladen. Das hat er denn auch gethan und ist nach Wallwie getrieben, aber noch heute nicht wiedergekommen und Niemand weiß, wo er mit seinen Eseln geblieben ist. Doch haben einige gesagt, daß er von Wallwie in der Trift heruntertreibt hin nach dem Kirchberge. Die Schwester des Erzählers selbst will ihn des Nachts beim Erbsenbinden auf dem Wege dahin mit den zwölf Eseln gesehen haben.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 46-47.
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