125. Gottslohn.

[47] In Appenrode bei Osterwieck war eine Frau, die war sehr geizig. Sie hatte ein Mädchen, das war mildherzig, that den Frauen von dem Vermögen der Frau viel zu Gute und gab es ihnen durch's Gossenloch. Dafür bekam sie auch von den Armen alle die Gottslohne, die der Frau gehört hätten. Darum saß die Frau drei Tage nach ihrem Tode auf ihrem Altmutterstuhle hinter dem Ofen, auf dem ihr Sitz immer gewesen war, ging in die Speisekammer, in den Keller, bei's Vieh und lärmte sehr mit dem Geschirr. Ihr Sohn bestellte endlich ein paar Jesuiten, die mußten sie nach ihrem Begehr fragen. Da sagte sie, sie wolle nichts weiter als die Gottslohne, welche die Dienstmagd für das bekommen hätte, was sie durch's Gossenloch gegeben hätte. Das Mädchen[47] wurde befragt und antwortete: die solle sie in Gottes Namen alle hinnehmen. Die Frau sagte: darauf solle sie die Hand geben. Das erlaubten die Jesuiten nicht, sie mußte den Besenstiel hinhalten und wie sie ihn hinhielt, zerknitterte er in tausend Stücken. Die Frau sagte: sie könne jetzt zu Gnaden kommen, wenn ihr Sohn ein Schwein schlachte, von drei Scheffel Weizenmehl Kuchen backe, von drei Scheffel Brodmehl Brod, und wenn dies Alles unter die Armen vertheilt würde. Das geschah und hernach wurde sie in das Kiebitzbruch in der Kutsche mit vier Pferden gefahren und ließ sich nicht wieder sehen.

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Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 47-48.
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