Siebender Auftritt.

[22] Orpheus. Eurydice.


ORPHEUS.

Gleich werden wir, mein Schatz, aus dieser Höle gehen,

Des Himmels Licht zu sehen,

Das mir zugleich dein Licht entdecken soll.

EURYDICE.

Ach wie bin ich bereit,

Dir meine Demuht, Lieb', Erkenntlichkeit,

Und ganze Pflicht zu zeigen!

Von Orpheus Liebe soll die Nachwelt nimmer schweigen.


Das Licht der schwindet und es wird gantz dunkel.
[22]

Jedoch, ihr angeneme Schatten,

Wie wol kommt ihr uns itzt zu statten,

Da selber die Gelegenheit,

Uns beyderseits zu sehn, durch euch verschwindet?

ORPHEUS.

Gleichwol hält noch der Kummer an,

Den mein Gemüht empfindet,

So lang' ich dich nicht sehen darf noch kann.


Es wird alles wieder hell und hinten ist der

Schauplatz verändert wo sich ein Theil des Berges Rhodope und in demselben eine Höle zeiget durch welche Orpheus hervor gegangen.


Ach Eurydice, hör' ich dich

Nicht mehr hier bey mir gehn?

Sprich doch!

Sprich nur ein Wort! folgst du mir noch?

Ich höre dich nicht mehr. Ach wie ist mir geschehn?

Ich muß –


Orpheus siehet Eurydice, welche den Augenblick aus der Höle hervor zu gehen scheinet; aber von des Pluto Bedienten mit Gewalt zurück genommen wird.


EURYDICE.

Nun wirst du mich,

Mein Orpheus, weil du lebst, nicht lebend wieder sehn.


Quelle:
Georg Philipp Telemann: Die wunderbare Beständigkeit der Liebe, [Hamburg] [1726], S. 22-23.
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