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Was die eigentliche Revier betrifft / darinnen er lieget / so ist es der Hartzwald / welcher ist der gröste Wald in Teutschlande / den Griechischē und Lateinischen Historien Schreibern wol bekandt.118 Die Griechen nennen ihn ἑρκύνιον δρυμόν. Den grössestē und meisten Theil desselben / welches sehr holtzigt und bergicht / auch uns sehr nahe ist / und an Sachsen stösset / nennen wir den Hartz oder Hartz-Wald. In demselben lieget der sehr hohe und weit berühmte Berg Melibocus, der Brocken oder Brockenberg.119 Derselbe Wald soll sich anfahen bey Franckreich / alda er genennet wird Bacenis oder Silva nigra, der Schwartzwald / und erstrecket sich weit an vieler Völcker Grentzen / daher er auch unterschiedene Namen bekompt / als daer genennet wird der Böhmer-Wald / der Thüringer-Wald. Man meynet / daß dieser Wald sey Hercinia120 genennet von dem Griechischen Worte ἕρκος, welches einen Umbgang oder Zaun bedeutet / weil er fast gantz Teutsch-Land nicht anders als ein Wall ümbgiebet. In der Teutschen Sprache aber soll er den Namen haben vom Hartze / oder dem zehen Safft und Gummi so häuffig auß den Bäumen im Walde fleust. Was aber von dessen Etymolog. Hercyniæ zu halten / ist schon oben im 2. §. dieses Capittels mit wenigem gedacht / unn erwiesen auß Zeil. daß nemlich das Wort besser Harcinia geschriebē werde / in dē es[75] von Hartz herkomme: oder den vielleicht Harzicinia, so fern das Z. von den Lateinern für eigentlich könte geduldet werden.

Ja was noch mehr ist / so soll auch das Wort Cheruscus von Hartze herrühren / wie Carion121 wil / da er schreibet: Das Jahr zuvor oder ümb dieselbe Zeit / sind in Teutschland drey Regimenter Soldaten erleget worden / von dem Arminio, welchen sie der Cheruscorum Obersten oder Herzog nennen: Vnd haben diese Völcker ausser allen Zweiffel nach Goßlar hin zwischen der Saale und Hartzwald gewohnet. Vnd das Wort Cherusci122 kömt gar nahe dem Wort die Härtzische / wie die Völcker itziger Zeit genennet werden. Nach den Cheruscis und Longobardis sind gefolget die Bructeri in dem Braunschweigischen Lande / daher der Bructersberg noch biß heute den Namen behalten hat. Also spricht auch der Poët Claudianus:123


–– –– Venit accola sylvæ

Bructerus Herciniæ.


(Worüber Bartius in Animadv. p. 684. dieses commentiret: Bructerus] Ferocissimam gentem vocat Plinius lib. 2. Epist. 7. Vide doctorum commentaria ad Germaniam Taciti) Item: Vnter Goßlar liegen die Bructeri, da itzo der Brockersberg ist / welcher nach seinem alten Namen Melibocus heisset.124 Unter demselben der Hartzwald gegen Braunschweig und[76] Halberstadt / und der Aschenberg / dessen Namen erhalten hat Aschersleben. Hierauß erhellet nun / daß der Blocksberg nicht allein im »Hartzwalde lieget / sondern daß auch Hercinia von Hartze herkomme / und dannenhero freylich besser geschrieben werde Harcinia, wie Carion oder Philippus Melanchton in seiner Chronickgethan / als etwan sonsten Hercynia oder gar Orcynium nemus, wie in Heidmanni veteris Germaniæ typo zusehen.«

Quelle:
Praetorius, Johannes: Blockes-Berges Verrichtung. Leipzig, Frankfurt 1669, S. 75-77.
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