Der dritte Gesang

[101] Den Tempel selber schließt ein grosser Vorhof ein,

Und zieht sich um ihn her in einem weiten Cirkel.

Es ist der stoltze Bau von Säulen aufgeführt,

Die ein Gesimse drückt, das Marmorbilder krönen.

Fast jede Wissenschaft, und jede freye Kunst

Hat unter ihren Schutz auch seine eigne Halle.

Die Sprachkunst sitzet erst mit ihren Kindern hier;

Dann die Philosophie, nebst ihren weisen Töchtern,

Die sich um ihren Thron in einen Kreis gesetzt.

Drauf führt uns ihre Hand durch der Mathesis Halle,

Wo wir viel Cirkel, Stäb und Ketten liegen sehn.

Die Wände waren voll von Ziffern und Figuren,

Von da gelangen wir, zu der Astronomie,

Das gantze Himmelsheer blitzt hier an dem Gewölbe,

Wodurch der Thierkreis sich mit seinen Zeichen zieht.

Zu ihren Füssen stehn viel grosse Himmelskugeln,

Hier liegen Perspectiv, und Coniglobien.

Auch die Geographie sitzt unter den Atlanten,

Des Zimmers Seiten sind mit Mappen überdeckt,

Worauf der Erdbau sich in kleinen Rissen zeiget.

Dann machte sie das Thor zu der Historie auf.

Hier zeigte sie uns erst die diamantnen Flügel.

Da wieß ein rundes Feld die wüste leere Last.

Man glaubte fast zu sehn, wie hier das Licht entstünde.

In einem andern sind die Wasser schon getrennt,[101]

Und oben ausgespannt, ja von der Erden Rücken

Strömt die beschäumte Fluth am dritten schon herab;

Das Trockne kommt hervor, es wältzen nur die Winde

Die Wogen um den Strand. Dort lacht der Blumen Heer,

Da streckten Bäume schon die Fruchterfülten Wipfel

Fast überall hervor. Im vierten sahen wir

Die Sonne und den Mond, umringt mit tausend Sternen,

Und in dem folgenden das starck bewegte Meer.

Das gantze Wasserreich schäumt von den regen Fischen,

Der Walfisch sprudelt hier die Fluthen in die Höh.

Dort schwingt das Federvolck die triefenden Gefieder.

Im sechsten schien es fast, daß sich die Erd erhub.

Hier sprung sie auf, und da erblickte man schon Hörner;

Hier kamen Köpf hervor, und da ein halber Leib,

Dort schüttelte ein Leu den Staub von seinen Locken:

Da stampft ein muthig Roß, hier stößt ein wildes Rind.

Darunter nun erschien das erste Paar der Menschen;

Der Mann war angenehm, doch ernsthaft auch dabey.

Das Weib sehr reitzend schön, mit unschuldsvollen Minen.

Ihr lang und freyes Haar verbarg des Leibes Pracht.

Doch in der Halle selbst sah man die Welt im Wasser,

Worauf die Arche fuhr; Hier schwommen Mensch und Vieh,

Dort suchten viele Schutz, auf Bäumen, Felsen, Bergen.

Zur Seiten konten wir des Höchsten Kriege sehn.

Dort saß Sardanapal, so wie ein Weib bey Weibern,

Wo seine Männer Hand stat Spiessen Spindeln dreht.

Dort aber kämpft das Weib Semiramis mit Männern.

Gleichüber wieß sich uns des Xerxes schrecklichs Heer

Und seine Brück im Meer. Es stürtzten theils die Balken,

So wie es schien, hinein, theils riß die Fluth schon fort.

Da, sprach sie, findet ihr den grossen Alexander,

Hier kämpft und sieget er, dort fliehn die Perser hin,

Da stehn von Rom nur erst die halberbauten Mauren,[102]

Hier klettert Annibal. Es übersteigt sein Heer

Der Alpen grause Höh, die ewigs Eiß bedecket.

Dort herscht August und trägt als Käyser Kron und Stab.

Dem folgen nach der Reih hier alle andre Käyser,

Wir sahn, was unser Carl, der grosse Carl gethan

Und wie, Eugen! O Held! Dein Arm sich Lorbern pflantzet.

Indem wir dis besahn, kam die Historie,

Und führte uns mit sich zu einem grossen Felde.

Lenckt, rief sie, euren Blick auf dis Gemählde her,

Seht hier den Friederich, den ersten dieses Namens:

Er setzte Brandenburg aus der Verwirrung Wust

In einen bessern Stand. Der zweyte steht darneben.

Der noch ein Beywort sonst von eisern Zähnen führt.

Albertus setzet hier auf seinen Fuß den Degen,

Den er mit Ruhm und Sieg achtmal hat eingesteckt.

Der deutsche Cicero, Albert, steht ihm zur Seiten.

Noch itzo sieht man ihn nicht ohne Ehrfurcht an,

Und o! wenn er erst sprach, wer kont ihm widerstehen?

Seht ihr den Joachim, der an der Oder Strand

Der Weisheit Sitz gegründt. Der zweyte dieses Namens

Erkante in der Nacht des wahren Glaubens Licht,

Und folgte ihm auch nach. Von dem Johann Georgen

Sproßt deines Königs Stamm. Und der hat auch zuerst

Den Fuß in Preussens Reich mit auf den Thron gesetzet.

Zu seiner Linken ist Johannes Siegismund.

George Willhelm steht hier in dem Herzogshute.

Erkennet ihr den Held, den Friedrich Wilhelm nicht,

Vor dem der Pohlen Heer einst mit gesenckten Fahnen

In Warschaus Feldern floh? Sein Donner stürtzete

Stettin in Asch und Graus. Dort zeigt sich Friederich

In seiner Königs Kron. Und o wer kan dich wohl,

Du weiser Friedrich, sehn, und deinen Ruhm nicht preisen?

Du hast dein würdig Haupt, mit eigner Hand gekrönt.

Du rißst den Mörder Stahl dem Zweykampf aus den Händen[103]

Und warfst der blutgen Wuth die strengsten Zügel an.

Hier, wo die Saltzfluth quilt, und in berauchten Hütten

In flachen Pfannen schäumt, hast du der Weisheit Thron,

Wie deinen, aufgericht. Ihr kennt schon diesen Helden,

Vor dem ihr euer Haupt in tiefer Ehrfurcht neigt,

Der itzt gerecht und klug des Brennus Zepter führt,

Und durch das Heer sein Land, vor Krieg in Frieden schützet,

Doch hat nicht längst Strahlsund sein Feuer brennen sehn,

Wo er in Glut und Dampf vor dessen Mauren fochte.

Seht, seinen Helden Sohn, der schon dem Vater gleich,

Wie ihn der Weisheit Hand in blanckem Ertze führet:

Es sahe ihn der Rhein, so wie des Adlers Zucht

Der stürmisch hohen Spur des Vaters muthig folgen,

Wenn sein erhabner Trieb sie aus dem Neste reißt,

Und durch des Donners Reich mit unerschrocknen Flügeln

Der Sonn entgegen führt. Er sah es, und erstaunt.

Ich brauch es nicht, daß ich euch erst die Namen nenne,

Weil sie ein jeder weiß, inzwischen freu ich mich,

Daß dieser treue Kiel derselben Thaten meldet.

Und ihr, bestrebet euch, daß ihr der Ewigkeit

Ihr Lorberreiches Lob in Liedern übergebet.

O! hätt ich Geist und Kraft. O! wär es mir erlaubt.

Doch, arme Dichtkunst, bleib von der verbotnen Höhe.

Die Tonkunst lockte uns durch ihrer Sayten Klang,

Trompeten, Zithern, Flöt und Lauten hingen, klungen

Und schwebten an der Wand. Der schnellen Fingerkunst

Belebt das todte Holtz, auf zitternd hellen Säyten.

So sehr ihr Lied auch gleich die Töne wechseln ließ;

So musten sie doch stets genau zusammen stimmen,

Und auch in Eil und Flucht dem Tackt gehorsam seyn.

Indem erblicken wir ein prächtiges Gebäude,

Den Ehrenpforten gleich. Auf jeder Seiten trägt

Ein Riesenbild gebückt den Bogen auf den Schultern,

Als sey die Last zu schwer. Zwo Säulen stützen noch[104]

Nebst ihnen das Gesims, auf dem an jeder Ecken

Zwey Marmorbilder stehn. In seiner Mitten ligt

Ein Muschel gleicher Helm auf zwölf corinthschen Säulen.

Auf einer jeglichen prangt eine Statue.

Die Baukunst saß alhier auf ausgehaunen Stücken,

Und zeichnete ein Schloß nebst seinem Grundriß ab.

Indessen hörten wir der Meissel Schläge klingen,

Und sahen in der Näh die Kunst, so Bilder haut,

Hier lag ein halbes Stück, jedoch noch unpoliret!

Dort stand ein Engelsbild, das fast zu leben schien,

Und dem es sonst an nichts als an der Sprache fehlte;

Und da ein Kriegesmann: Ihn rüstet Helm und Schild,

Er drohet, wie es scheint, und lehnt sich auf den Spieß.

Die Mahlerey wohnt gleich zur Seiten neben ihr,

Die kunstreich rechte Hand regiert den regen Pinsel;

Die Lincke das Ballet. Der Stein und Läufer steht

Voll Farben neben ihr. Auf eines Bretes Fläche

Kan man so Berg als Thal und Städt und Felder sehn,

Auf jener Leinwand ist ein Mensch so wohl getroffen,

Als wär er selber da. Dort kämpft ein gantzes Heer:

Man sieht im blauen Dampf, wie der sein Eisen schwinget,

Und der es fallen läst, da er sein Blut verspritzt.

Auf den Gesichtern stehn, Zorn, Rach und Leid gemahlt.

Der folgt die Webekunst. Sie wirckt mit fleißger Hand:

Der reiche Aufzug ist, mit Purpur übergossen,

Am Baume aufgespannt, und gehet durch den Kamm.

Sie treibt den Schützen schnell durch die getheilten Faden,

Und schläget Seid und Gold in das Gewebe ein.

Ein köstlicher Damast wächst unter ihren Händen,

Auf den der Blumen Gold in rothem Grunde brennt.

Die Nähkunst war bey ihr, sie mahlte mit der Nadel,

In ein gespantes Tuch, was kaum der Pinsel kan.

Sie hebt und senckt die Hand, und zieht den feinen Faden.

Dort donnert in der Kluft der Hammer schwerer Knall,[105]

Zwey machen einen Schild, erheben wechselsweise

Und fällen ihren Arm. Man sieht die Funcken sprühn,

Der harte Ambos selbst seufzt unter ihren Schlagen.

Da stehen Egg und Pflug. Hier hengt ein blitzend Schwerdt,

Dort Küraß, Helm und Spieß aus blanck geschlagnem Ertze,

Hier floß zerschmoltznes Gold, das wie die Sonne strahlt,

In nette Formen ein. Der Meister bildet Schaalen

Und Kelch und Becher draus. Und ihr polirter Bauch

Gläntzt mit den zierlichsten erhabenen Figuren.

Als sie uns überall mit sich herum geführt;

So sprach sie: seht, dies ist der Vorhof meines Tempels,

Wer den erhabnen Fuß in solchen stellen will,

Muß durch der Künste Sitz, der Wissenschaften Wohnung

Mit muntrer Achtsamkeit und scharffen Augen gehn.

Wer in der Poesie ein Meister denckt zu werden,

Muß hier erst Schüler seyn, sonst bringt er es nicht hoch.

Indessen waren wir bis an das Thor gelanget.

An allen Säulen sind viel Tafeln aufgehengt,

Sie wies uns selbst daran die ewigen Gesetze,

Die keines Dichters Lied mit Recht verletzen darf.

Es kostet freylich wohl, sprach sie, viel Zeit und Mühe,

Doch wer sich auf der Bahn nicht leiten lassen will,

Und nur sich selber folgt, kan leicht sich selbst verführen.

Wir traten in den Hof. Wir sahn den Wunderplatz,

Wo die Natur und Kunst, wie zwey vertraute Schwestern,

Im Siegsgepränge ziehn. Der jungen Dichter Hand

Pflantzt hier auf jedes Beet die farbenreiche Zierde,

So wunder schön ist nicht der Bogen in der Luft,

Der aus dem Sonnenschein die hellen Farben ziehet.

Hingegen ordnet dort der ältern kluge Hand

Die Bäume nach der Reih zu schattenreichen Gängen:

Manch holdes Frühlings-Lied schallt durch das dicke Laub,

Das lieblich tönt und rauscht, wenn es der West beweget,[106]

Und manche Harfe beugt die starcken Zweig herab,

Worunter Dichter sich bald setzen, bald im Grünen

Sich mit Gesang und Spiel in Einsamkeit ergehn.

Vier Quellen springen hier. Der ersten klares Wasser

Ist ungetrübt und rein. Kein schwerer Stein, kein Holtz

Verhindert ihren Lauf. Sie fliest auf reinem Sande.

Viel Kinder baden sich, und spielen um den Rand.

Die Dichter pflegen sie die Reinigkeit zu nennen.

Die andre heissen sie den Sprung der Flüßigkeit.

Es rinnt ihr sanfter Bach fast sonder einigs Rauschen

Durch Blumen, Bäum und Stein ohn allem Anstoß fort.

Die Schönheit sieht man hier benebst der Anmuth schwimmen.

Der dritten geben sie den Namen Lieblichkeit.

Ihr Wasser ist sehr süß und strömt mit holdem Rauschen.

Vergnügen, Lieb und Lust tantzt um den bunten Strand,

Sie pflegen mit dem Naß sich schertzend zu bespritzen.

Die vierte Quelle heißt sonst die Nachdrücklichkeit,

Sie treibt die schwere Fluth bald schnell mit starckem Rauschen,

Bald majestätisch fort. So Ernst als Grosmuth geht

Am Wasser hin und her. Zwar jede Quelle springet

Weit von der ander vor, und irret hin und her

Mit angenehmen Spiel in dem beblümten Garten;

Doch endlich giessen sie ihr Wasser insgesammt

In einen grossen Fluß, der Gold und Perlen rollet,

Und der, obgleich die Fluth mit lauten Schallen fließt;

Doch stets so lauter ist, daß man an seinem Grunde

Die Steinchen sehen kan. Auch der umschliesset hier

Mit seinem nassem Arm den Fuß des grünen Hügels,

Auf welchem sich die Last des hohen Tempels thürmt.

Die blumenreiche Höh erhebt sich stufenweise

Und jeder Absatz läuft im Cirkel um ihn her.

Die unterste ist nur mit frischem Grase, Veilchen

Und dem gemeinem Schmuck der Wiesen ausgeziert,

An ihren Enden steigt manch spitzer Tannenbaum[107]

Aus kleinen Büschen auf. Die folgende bemahlet

Der Gärten bunter Schmuck, Narcissen, Lilien,

Und ihre Ränder sind mit Rosen eingefaßet,

Darzwischen breiten sich die Lorbeern nach der Reihe.

Die höchste schmücket sich mit Käyser-Kronen aus.

Auf ihren Umfang stehn viel seltne Blumentöpfe,

Nebst Cedern, so die Kunst zu Pyramiden macht.

Die Dichtkunst ließ uns hier nach unserm Willen wandeln.

Wir wandelten, bis sie uns zu dem Pallast rief.

Quelle:
Freundschaftliche Lieder von I. J. Pyra und S. G. Lange, Heilbronn 1885, S. 101-108.
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