Die Vermählung der Seele mit Christo

[331] Offenb. 19, 7-9.


Komm', liebe Seele, lass' die Welt,

Schau, was in unsres Gottes Zelt

Für eine Feier vor wird gehen;

Schau an das grosse Hochzeitsfest,

Das sich das Lamm bereiten läßt,

Dem Erd' und Himmel dienstbar stehen.

Wer ist die auserwählte Braut,

Die solchem Fürsten wird vertraut?


Dies sollst du selbst, o Seele, sein;

O Ehre, mehr als ungemein!

Gedenk', wie hoch du wirst beglücket,[331]

Daß sich des Höchsten ein'ges Kind

Mit dir geringer Magd verbindt.

Wie aber wirst du sein geschmücket,

Daß du für solchen Liebsten recht?

Du selbst für dich bist arm und schlecht.


Bitt' deinen Bräutgam um das Kleid

Der herrlichen Gerechtigkeit,

Das er dir durch den Tod erworben;

Der blut'ge Rock, in welchem er

Mit grosser Marter und Beschwer

Am Kreuz gelitten und gestorben,

Der ist die schöne Seid' allein,

In der du seiner werth kannst sein.


Den lege dir im Glauben bei

Und sei so aller Sorgen frei;

Hierin wird er, dein Schatz, dich küssen

Und bei dem Mahl der Ewigkeit

Dich freundlich setzen an die Seit',

Der Himmelsfreude zu geniessen.

O seel'ge Lust, erwünschter Tag,

Den hier kein Herz begreifen mag!


Ach liebster Jesu, Gottes Lamm,

Mein Bruder, Heil und Bräutigam,

Du giebst mir hier dein Fleisch zu essen

Und tränkest mich mit deinem Blut;

Dies heil'ge Mahl komm' mir zu gut,

Daß, da ich hier dich selbst gegessen,

Ich dort auch, theurer Wirth, mag dein

Und deiner Tafel würdig sein!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 331-332.
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