Geistlicher Seelentrost wider die Sünde

[311] Röm. 8, 18-19.


Mir fället, Jesu, immer ein

Die Menge meiner Sünden,

Und macht mir oft so große Pein,

Daß ich mich nicht kann finden;

Der Teufel ruht auch nicht dabei

Und spricht, daß ich sein eigen sei.


Wie elend bin ich denn daran!

Hinauf darf ich nicht schauen,

Um mich ist Nichts, das helfen kann,[311]

Und unter mir ist Grauen,

Ja, wo ich mich hin kehr' und wend',

Da seh' ich alles Trostes End'.


Doch fass' ich wieder einen Muth,

Wenn ich an dich gedenke

Und meine Seel' in deinem Blut,

O liebster Heiland, tränke.

Ein Tröpflein nur von diesem Saft

Schlägt aller meiner Feinde Kraft.


Dann ruf' ich aus getrost und froh:

Wer will mich nun verdammen?

Was ich gesündigt, wann und wo,

Das tilgest du zusammen,

Du, der du gingst zur Hölle ein,

Auf das ich sollte seelig sein.


Du hast mich, Herr, mit dir vereint,

Wer will mich von dir scheiden?

Der Tod? Der ist mehr Freund als Feind;

Die Welt? Die will ich meiden;

Der Teufel? Dessen Wort gilt nicht;

Die Höll'? Die ist zu Grund' gericht.


Du hast mich gar zu lieb, mein Hort,

Und ich dich, Jesu, wieder,

Drum schläget weder hier noch dort

Nichts unser Bündnis nieder.

Du bist ja mein und ich bin dein,

Wie können wir geschieden sein?


Schreib', Herr, dies meinem Herzen ein

Mit deinen Liebesfingern,

So wird die schwere Sündenpein

Sich unvermerket ringern.

Wie groß die Schuld, so freu' ich mich,

Seh' ich nur deinen Gnadenstrich.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 311-312.
Lizenz:
Kategorien: