Sterbenstrost

[314] Joh. 3, 16.


Was tröstet mich doch in der Noth,

Wenn mir der angeerbte Tod

Dies Leben endlich ab will kürzen,

Wenn mich mein eigen Herz verklagt,

Von nichts als von Verdammnis sagt,

Wenn mich die Sünd' hinab will stürzen,

Hinab, wo die verboste Welt

Den Lohn für all' ihr Thun erhält?


Es giebet Alles mich verlorn,

Der Teufel zeigt mir Gottes Zorn

Und schreit von lauter Feuerflammen.

Was vor mir kaum besorglich war,

Das beut sich jetzt zum Schrecken dar

Und schwört auf meinen Tod zusammen,

Ja, was von Hölle pred'gen kann,

Das sagt sich feindlich bei mir an.


Nur du, mein Jesus, stehst für mich,

Dein lieber Vater hat ja dich,

Dich, seinen ein'gen Sohn, gegeben,

Damit durch dich die ganze Welt,

Die durch die Sünde war gefällt,

Nicht sterben möchte, sondern leben;

Es sollte dein Verdienst allein

Genug für alle Menschen sein.
[314]

Das eign' ich mir auch kühnlich zu;

Ich glaube, daß, mein Heiland, du

Auch mich dem Teufel abgestritten.

Dein Vater hat mich auch geliebt,

Was ich für Bosheit je geübt,

Dafür hast du mit eins gelitten,

Dein Blut ist, wie der ganzen Welt,

Wahrhaftig auch mein Lösegeld.


Dein Reich räumt mir dein Vater ein,

Wie kann ich denn verloren sein?

Was darf die Sünde mich erschrecken,

Was lüget mir der Teufel für,

Es lieget meine Schuld auf dir,

Dein Grab, das kann mich, Herr, verdecken,

Wenn Alles feindlich auf mich hetzt

Und mich durchaus verloren schätzt.


Erhalte diesen Trost in mir,

Denn darauf leb' und sterb' ich dir,

Wenn mich die Seele will verlassen;

So lang' ein Glied sich an mir regt,

So lang' der Tod die Brust mir schlägt,

So lass' mich dieses Ein'ge fassen,

Daß du mich von der Hölle Noth

Erlöset hast durch deinen Tod.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 314-315.
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