[Du heißest Ernst, und Spielen war dein Ziel]

[100] Du heißest Ernst, und Spielen war dein Ziel,

Du warest uns und warst dir selbst ein Spiel.

O wie so furchtbar ernst

Du wurdest nun, indem du dich entfernst!

Fahr' wohl, auf heitres Wiedersehn, mein Ernst!


Du hast gelächelt nicht, du hast gelacht,

Mit sonn'gem Blick die Nacht zum Tag gemacht.

O wie du todesernst

Das Lachen nun, das Lächeln selbst verlernst!

Fahr' wohl, auf frohes Wiedersehn, mein Ernst!
[100]

Wie ist der Mund, der niemals schwieg, verstummt,

Das letzte schwergelallte Wort versummt;

O der du schweigend ernst

Hinscheidend uns des Lebens Nacht entsternst,

Fahr' wohl, auf bessres Wiedersehn, mein Ernst!


Geh' hin, wo dich die Schwester lächelnd grüßt,

Des Todes Bitterkeit im Mund versüßt,

Daß nach dem stummen Ernst

Dein frohes Plaudern du bald wieder lernst,

Fahr' wohl, auf schönres Wiedersehn, mein Ernst!


Geh, wo sie dir anlachend sich enthüllt,

Mit Lächeln dir die Wangengrübchen füllt;

Geh, daß du heiter ernst

Mit ihr die Nacht der Hoffnung uns besternst,

Fahr' wohl, auf heitres Wiedersehn, mein Ernst!

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 100-101.
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