[Wo sind Schranken]

[369] Wo sind Schranken

Zwischen Leben und Tod,

Für die Kranken

Zwischen Leben und Tod?


Schranken zwischen

Tod und Leben, die ich

Baute, sanken

Zwischen Leben und Tod.


Wind es Himmels

Wiegt am Baum der Natur

Alle Ranken

Zwischen Leben und Tod;


Sprüht auf welke

Blüthen flüchtigen Thau,

Den sie tranken

Zwischen Leben und Tod.


Licht durch Schatten

Spielt, und Schatten im Licht;

Beide wanken

Zwischen Leben und Tod.


Hoffnungslichter,

Und Erinnrungen, gleich

Schatten, schwanken

Zwischen Leben und Tod.
[370]

Schwanken seh' ich

Euch, Lichtschatten des Traums,

Meine schlanken,

Zwischen Leben und Tod.


Lebend sterbt ihr,

Lebt gestorben, wie ich

Im Gedanken

Zwischen Leben und Tod.


Daß ihr lebtet,

Daß ihr starbet und lebt,

Laßt mich danken

Zwischen Leben und Tod.

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 369-371.
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