Achtzehntes Kapitel.

[395] Wie Pantagruel und Panurg die Reimen der Sibyll von Panzoust verschiedentlich erklären und deuten.


Nachdem sie die Blätter zusammengelesen, zogen Panurg und Epistemon wieder heim an Pantagruels Hof, theils fröhlig, theils verdrüßlich; fröhlig, wegen der Heimkehr, doch verdrüßlich wegen der Beschwer des Wegs, den sie gar holprig, steinig und schlecht erhalten fanden. Statteten Pantagruelen von ihrer Fahrt und wie sie die Sibyll gefunden, ausführlichen Bericht ab, zeigten ihm auch zuletzt die Maulbeerblätter und Vers in kleiner Schrift darauf. Nachdem es Pantagruel alles gelesen, sprach er mit Seufzen zum Panurg: da seyd ihr schön verwahrt! Es zeigt die Prophezeyung der Sibyll handgreiflich, was wir schon zuvor sowohl aus den Vergilischen Loosen als euern eignen Träumen ersehn, daß euer Weib euch entehren wird, wenn sie mit Andern zuhält und von Andern schwanger wird; daß sie euch irgend was Gutes stehlen wird, und daß sie euch schlagen wird, nämlich ein Glied am Leib zerquetschen und schinden. – Ihr versteht, antwortet Panurg, von Auslegung dieser neuesten Prophezey soviel als die Kuh von Muskatennuß. Haltet zu Gnaden, daß ich so red, denn ich bin etwas ärgerlich. Anders'rum wird ein Schuh daraus. Nehmt meine Wort zum besten. Die Alte spricht: sowie die Bohn nicht zu sehn ist wenn sie nicht ausgebälgt wird, also würd auch mein Tugend und Werth nie ruchbar werden wenn ich nicht verehelicht wär. Wie oftmals hab ich euch sagen hören, die Obrigkeit und das Amt geb erst den Menschen kund, und weis es deutlich aus was ihm im Krägel steck, das ist: erst wenn ein Mensch zu Führung der Geschäft berufen ist, erkennt man wahrhaft was an ihm sey, und wieviel er werth ist. Vorher und im Privatstand weiß man mit Sicherheit nicht mehr von ihm als von einer Bohn in ihrem Balg. Dieß dien euch auf den ersten Punkt. Oder wollt ihr etwann behaupten daß eines Biedermannes Ehr und guter Nam an einem Huren-Arß hing?[396]

Der zweyte sagt: mein Weib wird dick werden (merkt hie das Hauptstück des Ehesegens!) doch nicht von mir. Potz Fisch, ich glaubs. Von einem kleinen artigen Büblein dick werden wird sie: schon lieb ichs zärtlich, schon bin ich ganz vernarrt darein. Das wird mein klein Hosseloddel werden. Kein Kreuz noch Kummer werd ich mir hinfort so schwer zu Herzen ziehn, das ich nicht überwänd wenn ichs nur anseh und sein kindlich Geschwätz hör. Hoch leb die Alt'! Ich weis ihr noch beym wahren Pott! in Salmigundien eine stattliche Leibrent an, und nicht etwann eine fahrende, wie die tollen fahrigen Schüler, sondern fix sitzend wie fromme Pröpst und Präceptores. Oder wollt ihr daß mein Weib Mich in ihrem Schoos trüg? empfing und heckt'? und daß man spräch: Panurg ist ein andrer Bacchus, er ist zweymal geboren, ein Renatus, wie Proteus, einmal von der Thetis, das andre Mal von der Mutter des Weisen Apollonius? oder wie die beyden Palici beym Fluß Symäthus in Sicilien? Sein Weib war schwanger von ihm; in ihm ist die alte Megarische Palintoci und[397] Demokratische Wiedergeburth erneuert? Irrthum! Da schwatzt mir nur nix von.

Der dritte sagt: mein Weib wird mir den besten Schmalz aussaugen. Deß getröst ich mich: denn ihr wißt wohl, der steckt im Knüppel zu Einem End, der zwischen meinen Beinen bammelt. Ich schwör euch heilig und gelob daß ich ihn immerdar bey Saft und Kraft werd halten. Nicht umsonst soll sie dran saugen, verlaßt euch drauf. Der kleine und grosse Bär soll ihr tanzen in Ewigkeit. Ihr nehmt den Text allegorisch und ziehets auf Entwendung und Diebstahl. Ich lob die Auslegung, die Allegori gefällt mir, doch nicht euerm Sinn nach. Kann wohl seyn daß eure treue Lieb zu mir, euch zum Widerspruch und Gegentheil verleitet, wie die Gelehrten sagen, daß die Lieb ein gar furchtsam Ding, und wahre Lieb niemals ohn Furcht sey. Allein, so viel ich glaub, wißt ihr von selbst daß Diebstahl an diesem Ort, wie an so vielen andern mehr der Römischen und alten Scribenten, die süsse Liebesfrucht bedeut, die Venus verstohlen und insgeheim gepfluckt will haben. Und das, warum? Sprecht ehrlich! weil dieß Tänzlein halings, zwischen zween Pförtlein aufgeführt, auf einer Stiegen, hinterm Umhang, im Husch, auf einem zerrauften Reisbund, der Göttin von Cypern – mit Respekt vor besserm Urtheil – mehr behagt als offnes Spiel am hellen Tag, auf Cynisch, oder auch unter güldnen Gardinen prächtigen Himmelbetten, in langen Fristen à plein gogo, da man mit purpurseidenem Wedel und indianischem Federstutz sich der Mucken wehrt und die Dam' dazu mit einem Strohhalm den sie derweil aus der Matrazz gezauset hat, sich die Zähn stört. Oder wollt ihr sagen daß sie mit Saugen mich bestöhl? wie man die Austern in Schaalen schluckt und wie, nach Dioskorides, die Cilizischen Weiber den Kermes sammeln? Irrthum! wer stiehlt der saugt nicht, sondern schnappt: schluchst nicht; beluchst, entwendet, und treibt Gaukel- und Taschenspiel.

Der vierte sagt: mein Weib wird mirs schinden, aber nicht alls. O edles Wort! Ihr deutets auf Schläg und Quetschungen. Das paßt just wie die Faust aufs Aug;[398] vorm schwarzen Staar uns Herr bewahr! Bitt euch fußfällig, erhebt ein wenig euern Geist von Staubesgedanken zu erhabner Contemplation der Naturwunder, und verdammt euch selbst des Irrthums halber den ihr mit falscher Auslegung der göttlichen Sibyllen-Wort und Prophezey begangen habt. Gesetzt den Fall, doch nicht zugestanden, daß mir mein Weib, auf Anreizung des höllischen Feinds, einen schlimmen Streich zu spielen gedächt, daß sie mich hörnen wollt hinten und vorn, mich plündern und plagen: sie käm doch nimmer damit zum Zweck, und all ihr Sinnen und Trachten wär vergeblich. Der Grund aus dem ichs weiß, steift sich auf diesen letzten Satz, und quillt aus dem allerinnersten Centro monachalischer Pantheologi. Der Bruder Artus Pomeißel vertraut' mirs einmal, es war an einem Montag früh, als wir ein Maas Kalbsrefflein zusammen assen; es regnet' just, ich denk noch heut dran. Gott geb ihm einen fröhligen Tag.

Die Weiber, bey Erschaffung der Welt oder bald darnach, verschwuren sich die Männer lebendig zu schinden, weil sie in allen Stücken die Herren seyn wollten. Und ward unter ihnen dieser Schluß beschworen, vollzogen und angelobt auf den heiligen Bockstossian. Aber, o eitles Trachten der Weiber! o des gebrechlichen Frauenvolks! Sie huben den Mann zu schinden an, oder wie's Catull nennt, zu glubiren, bey dem Theil der ihnen am besten mundet, das ist bey dem bewußten hohlen und nervigten Membro. Dieß dauert schon über sechstausend Jahr, und haben doch gleichwohl bis Dato noch nicht mehr als den Kopf davon geschunden. Weßhalb auch die Juden, vor lauter Gift und Gall, sichs mittelst der Beschneidung, selber kürzen und kappen, und lieber Baarhähn und Stutzschwänz-Mauschel genannt sein wollen, als von Weibern geschunden seyn, wie die andern Völker. Also wird mein Weib auch dem gemeinen Schluß nicht untreu werden, wird mir ihn schinden; wo er nicht schon geschunden ist, Ich geb mein Fiat frey dazu; aber nicht alls, dieß glaubt nur sicher, mein guter König.[399]

Aber, sprach Epistemon, ihr schweigt von dem Lorbeerzweig, den wir ohn alles Geräusch und Knistern vor unsern Augen brennen sahen, darob sie so erschrecklich tobt' und brüllt'. Ihr wißt, dieß ist ein traurig Augurium und furchtbar Zeichen, wie es Properz, Tibull, Porphyrius der subtile Philosoph, Eustathius zu Homeri Ilias, und Andre lehren! – Da führt ihr mir in Wahrheit saubere Kälber an, versetzt' Panurg; denn als Poeten, warens Narren; und Grillenfänger als Philosophen, so bretsdick voll Narrheit als ihre Weisheit selber war.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 395-400.
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