Ein und Funfzigstes Kapitel.

[517] Wie eine eigene Art Pantagruelion im Feuer unverbrennlich ist.


Was ich euch da erzähl ist groß und wundervoll. Doch wenn ihr noch eine andere Göttlichkeit von diesem geheiligten Pantagruelion euch zu glauben ermuthigen wolltet, möcht ichs euch sagen. Glaubts oder nicht, ist mir all eins, wofern ich euch nur Wahrheit sage.

Und Wahrheit sagen will ich euch. Doch, um drauf zu kommen (denn der Anstieg ist etwas holprig und mühsam) so befrag ich euch: wenn ich in dieß mein Fläschlein hie zween Kotylen Wein's, und eine Wassers thät, wohl zusamen gemischt, wie brächtet ihr es auseinander, wie schiedet ihrs, so daß ihr mir jedes apart, das Wasser ohn den Wein, den Wein ohn das Wasser wieder zurückgäbt in demselben Maas als ichs hinein geschüttet hätt?

Oder: wenn eure Kärrner und Schiffer etwann für euern Hausbedarf eine Anzahl Tonnen, Pipen, Stückfaß Weins von Grave, Orleans, Beauln' oder Mirevaulx gebracht, sie[517] unterwegs aber angezapft, halb ausgestochen, das übrige mit Wasser wieder aufgefüllt hätten, nach Art der saubern Limousiner mit ihren weiten hölzernen Schlarren, wenn sie die Wein von Sanguaultier und Argenton zur Ax verführen, wie zögt ihr das Wasser rein heraus? wie wolltet ihr sie purifiziren? Ich merk wohl, hie erzählt ihr mir von einem Epheu-Trichter. Es stehet geschrieben, ist wahr, es ist bestätigt durch hundert Proben: ihr wußtet's schon. Wers aber nicht wußt noch je sah, hielts nicht für möglich.

Weiter im Text! Wenn wir zu Zeiten Syllä, Marii, Cäsars und andrer Römischer Kaiser lebten, oder zur Zeit unsrer alten Druiden, die die Leichnam ihrer Eltern und Herren verbrannten, und ihr wolltet die Asch eurer Frauen oder Väter im Aufguß trinken mit einem guten blanken Wein, wie Artemisia ihres Gemahls Mausoli Asch, oder sie sonst in einer Urn und Reliquienkästlein sauber verwahren, wie läs't ihr selbige Asch heraus und gewännet sie rein und unvermengt mit der Holzasch des Scheiterhaufens? Antwort!

Bei meiner Truh! ihr wär't schön verlesen. Will euch erlösen: und sag euch also: wenn ihr von diesem himmlischen Pantagruelion mehr nicht als zu der Leich Bedeckung noth ist nehmt, sie um und um drein wickelt, einschnürt und vernähet mit demselbigen Zeug, so mag das Feuer darein ihr sie legt, so loh und groß seyn als es woll, das Feuer wird durchs Pantagruelion hindurch Leib und Gebein verzehren und in Asch verwandeln, es selbst jedoch, das Pantagruelion, nicht nur nicht verbronnen noch verzehret werden, kein Stäublein der darinn enthaltnen Asch verlieren, kein Stäublein von der Holzasch anziehn; sondern auch schöner, weisser und lautrer aus dem Feuer gezogen werden als ihrs hinein warft. Darum heißt es Asbeston. In Karpasien und der Gegend um Dia Syene könnt ihrs in Meng und wohlfeil finden.

O grosse Sach! erstaunlich Ding! Das Feuer, das alles frißt, zerstört und verwüstet; reinigt, säubert, bleicht allein dieß asbestinische Karpasische Pantagruelion. Mistraut ihr dem etwann, begehrt ihr, wie Juden und Ungläubige hievon sichtbare Beweis und Zeichen, nehmt nur ein frisches[518] Ey, umwindets ringförmig mit diesem Götterkraut, also umwunden legt es in so glühend heisse Kohlen ihr wollt, laßt es darinn so lang ihr wollt. Zuletzt habt ihr das Ey gesotten, hart und verbrannt, ohne allen Wandel, Entzündung noch Veränderung des heiligen Pantagruelii. Für weniger denn fünfzigtausend Bourdel-Thaler auf das Zwölftheil einer Pit' ermässigt, könnt ihr das Probstück machen.

Haltet mir hie nicht den Salamander für. Es sind nur Possen. Ich geb gern zu daß ihn ein klein Strohfeuerlein erfrischt und labt: allein betheur euch, in einem grossen Ofen erstickt und vergeht er so gut wie ein ander Thier. Habs selbst gesehn; ist auch vorlängst durch den Galenus bewährt und erwiesen lib. 3. de temperamentis, und behauptets Dioskorides lib. 2.

Sagt mir hie nichts vom Federweiß noch von dem hölzernen Thurn im Piräus, den L. Sylla nimmermehr verbrennen mocht, weil Archelaus der Stadt-Hauptmann des Königs Mithridates ihn mit Federweiß über und über bestrichen.

Ziehet mir hie den Baum nicht her, den Alexander Cornelius Eonem nannt, ihn mit der Eich, darauf der Mistel wächst verglich und sagt daß weder Wasser noch Feuer ihn verzehren noch schädigen kann, so wenig als den Eichen-Mistel, und daß daraus das berühmte Schiff Argo verfertigt und gezimmert sey. Machts einem Andern weiß, ich glaubs nit.

Noch auch (wiewohl es wunderbar) beruft euch auf die Art von Bäumen wie ihr sie in den Bergen von Ambrun und Briançon findet, die an der Wurzel uns den heilsamen Lärchenschwamm zeitigt, aus ihrem Stamm das so treffliche Harz schwitzt, daß es Galenus dem Terpentin wagt gleich zu schätzen, auf ihren zarten Blättern das feine Himmels-Honig Manna uns auffängt, und, obschon öl- und gummihaltig, im Feuer doch unverwüstlich ist. Ihr nennt sie Larix auf Griechisch und Latein; die Aelpler nennen sie Melze; die Antenoriden und Venezianer Larege, wovon das Schloß [519] Larignum in Piemont heißt, welches einst den Julius Cäsar auf seinem Zug in Gallien betrog.

Julius Cäsar hätt allen Bewohnern der Alpen und von Piemont, Lebensmittel und Munition in die für sein durchziehend Volk an der Heerstraß aufgeschlagnen Magazin zu liefern befohlen. Worinn sie ihm auch all gehorchten, ohn Die so in Larigno lagen; die im Vertrauen auf des Ortes natürliche Festigkeit, der Steuer sich weigerten. Für solche Weigrung sie zu bestrafen, ließ der Feldherr sein Heer grad angehn auf den Platz. Vor dem Schloß-Thor stund ein Thurn aus dicken Larix-Bohlen erbauet und, wie ein Holzstoß, wechselsweis zu solcher Höh empor verschränket, daß man vom Gatter mit Steinen und Knütteln Jeden der herankam, leicht abtreiben mocht. Als Cäsar hörte daß man kein andre Waffen drinn hätt als Stein und Knüttel, die sie kaum bis zu den Laufgräben schleudern könnten, gebot er seinen Soldaten brav Reisholz rings umher zu schlichten und in Brand zu stecken. Gesagt gethan. Kaum war das Feuer in dem Reisig, so schlug die Flamm so hell und hoch auf, daß sie das ganze Schloß verdeckt'. Dachten also, der Thurn würd bald zu Staub gebrannt und vernichtet seyn. Als aber der Brand nun nieder, und das Reisig verzehrt war, kam der Thurn ganz heil und unbeschädigt zum Fürschein.

Als Cäsar dieß innen ward, befahl er, ausserhalb des Wurfgeschützes einen Zingel rund herum von Gräben und Blöcken zu machen. Jetzo capitulirten die Larignaner, und aus ihrem Mund erfuhr Cäsar die wunderbare Natur dieses Holzes, das kein Feuer, weder Flamm noch Kohlen macht und in diesem Stück schier gleichen Ranges mit dem wahren Pantagruelion werth wär (zumal Pantagruel daraus alle Thüren, Pforten, Fenster, Hohlkehlziegel, Regentraufen, Kranzleisten und Verschaalungen in Thelem haben wollt, auch damit Vor- und Hintertheil', Kombüsen, Verdeck', Coursien und Rambaden auf seinen Karaken, Jachten, Galeeren, Gallonen, Brigantinen, Fusten und andern Schiffen[520] in seinem Zeughaus und Thalaß decken ließ) wenn nicht der Umstand wär, daß Larix in einem grossen Feuer aus andern Holzarten, endlich dennoch verzehrt und aufgerieben wird, wie der Kalkstein in den Oefen: hingegen das asbestische Pantagruelion darinn eher erneuert und geläutert wird, als zerstört und verändert. Darum:


Sabäer, Indianer, Araber,

Prahlt nicht so laut mit Weihrauch, Myrrh' und Eben!

Betrachtet unsre Schätze, kommet her,

Den Saamen unsres Krautes zu erheben:


Und wenn es dann bey euch auch mag bekleben,

Dank sagt dem Himmel eine Million

Und lasset hoch das Reich der Franken leben,

Darinnen wächst Pantagruelion.[521]


Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 517-522.
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