Neun und Zwanzigstes Kapitel.

[440] Wie Pantagruel wegen Panurgens Skrupeln einen Theologen, einen Mediziner, einen Legisten, und einen Philosophen beruft.


Als sie im Schloß nun angekommen, erzählten sie dem Pantagruel den ganzen Hergang ihrer Reis, und wiesem ihm Großmurrnebrods Sprüchlein. Pantagruel als ers gelesen und wieder gelesen, sprach: Noch niemals hat mir eine Antwort so wohl gefallen. Er zeigt damit summarisch an, in Heyrathssachen soll jedermann seiner eignen Gedanken Schiedsherr seyn, und niemand zu Rath ziehn als sich selber. Dieß war auch immer meine Meinung, und hab euch eben das gesagt, als ihr mich drum zuerst befruget. Allein ich weiß noch wohl, ihr hattet im Herzen euern Spott darüber, und seh, euch blendet Eigenlieb und Philauti. Greifts anders an. Bemerket: Alles was wir sind und haben, bestehet in drey Stücken: Seel, Leib und Gut. Zu eines jeden dieser drey besondrer Erhaltung sind heut zu Tag dreyerley Arten von Leuten bestellet: Die Theologen für die Seel, die Aerzt für den Leib, und die Juristen für Hab und Gut. Mein Rath ist, auf nächsten Sonntag laden wir hie bei uns zum Imbiß, einen Theologen, einen Mediziner, und einen Juristen. Mit ihnen wolln wir insgesamt von euern Skrupeln conferiren. – Helf mir Sankt Picault, antwort Panurg, da werden wir eben nicht klüger werden; ich sehs schon kommen. Schau eins nur unsern verschusterten Weltlauf! Unsre Seelen befehlen wir den Theologen aufzuheben das doch meistentheils Ketzer sind: unsre Leiber den Medizinern, die alle Arzeney verabscheun, selbst nie nix brauchen; und unsre Hab den Advokaten, die unter einander niemals[440] Prozeß zusamen führen. – Ihr redet als ein Hofmann, sprach Pantagruel: doch leugn ich euch den ersten Satz; denn seh ich nicht die guten Theologen einig und lediglich darum bemüht, ja all ihr Sinnen und Trachten stetig dahin gericht mit Rath und That, mit Wort und Schrift die Ketzereyen und Irrlehr auszuräuten? (o! wie weit sind sie demnach entfernt, daß sie sich selbst damit befleckten!) und den wahren lebendigen katholischen Glauben in die Herzen der Menschen zu pflanzen? Den zweyten lob ich: weil ich die guten Mediziner auf den prophylaktischen und gesundheiterhaltenden Theil ihres Handwerks sowohl bedacht seh, daß sie der Heilung und Therapie durch Arzeney entrathen mögen. Den dritten geb ich zu, wiefern ich die guten Anwält mit ihren Repliken und Fürspruch zu Gunsten fremder Recht so viel bemüht und beschäftigt seh, daß sie des eignen wahrzunehmen nicht Zeit noch Weil erschwingen. Darum auf nächsten Sonntag sey mit uns, als Theolog unser frommer Vater Hippothadäus, als Medicus unser Meister Rundibilis, als Legist unser guter Freund Gänszaum. Ja ich wär selbst der Meinung, daß wir uns bis zur Pythagorischen Tetras verstiegen, und noch als vierter Mann unser getreuer Philosoph Stülphändsch mit käm: zumal der wahre Philosophus, wie Stülphändsch ist, affirmative und assertorie auf jeden erhobenen Zweifel Bescheid giebt. Karpalim tragt Sorg dafür, daß wir sie alle vier allhie auf nächsten Sonntag zum Imbiß haben.

Ich glaub ihr hättet, sprach Epistemon, schwerlich unter der ganzen Zunft eine bessere Auswahl treffen mögen; nicht blos hinsichts der hohen Gaben eines Jeden in seinem Stand, die überm Wurfspiel alles Ermessens belegen sind, sondern, was noch mehr: weil Rundibilis beweibt ist, und nicht zuvor[441] war, Hippothadäus es niemals war, noch ist; Gänszaum es war und nicht mehr ist, Stülphändsch es ist, und immer war. Ich will dem Karpalim Müh ersparen, und wenn es euch also beliebt, den Gänszaum selbst anher bescheiden: er ist mein alter Freund; ich hab ohnhin mit ihm zu reden wegen Befördrung seines wackern geschickten Sohns, der zu Tolos im Autidorio des braven gelehrten Boissonné studirt. – Thut wie euch gut dünkt, sprach Pantagruel; und bedenket ob ich etwann für die Beförderung des Sohnes, oder dem Herrn Bissonné zu Ehren was thun kann; denn ich lieb und ehr ihn als der Würdigsten Einem in seinem Fach zu unsrer Zeit. Werd ihm von Herzen gern dienstlich seyn.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 440-442.
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