Sechstes Kapitel.

[356] Warum die neuen Ehemänner von Kriegsdiensten frey waren.


Aber in welchem Gesetz, frug Panurg, war es verordnet und festgestellt, daß Die einen neuen Weinberg pflanzen, Die ein neu Haus baun, und die neuen Ehemänner im ersten Jahr von Kriegesdiensten frey seyn sollten? – In dem Gesetz des Moses, antwort Pantagruel. – Warum die neuen Ehemänner? frug Panurg: denn um die Weinbergspflanzer bin ich zu alt mich zu bekümmern, verlaß mich auf der Winzer Fleiß. Und was die feinen Bauherrn anlangt von neuen Häusern mit todtem Stein, so stehn sie nicht im Buch meines Lebens, denn ich bau nur lebendige Stein, das ist Menschen. – Soviel ich glaub, antwort Pantagruel, geschah es wohl, damit sie sich im ersten Jahr nach Herzenslust ihrer Lieb erfreun, auf ihres Stammbaums Mehrung denken, und Leibeserben erzielen möchten. So[356] blieb zum mindesten, wenn sie das andre Jahr im Krieg umkamen, ihr Nam und Wappen bey ihren Kindern. Auch weil man sicher wissen wollt, ob ihre Weiber gelt oder fruchtbar wären: (denn bey dem reifen Alter darinn sie freyten, dünkt' ihnen zur Prob ein Jahr genug) damit man sie nach ihrer ersten Männer Hintritt desto besser möcht anders vermählen, die fruchtbaren an solche Leut die Kinder zeugen und haben wollten, die gelten an die dergleichen nicht möchten, und sie um ihrer Tugend, Klugheit und andrer guten Gaben halber, zu ihrem Haustrost lediglich und Führung der Wirtschaft erkiesen wollten. – Die Prediger in Varenes, sprach Panurg, verschreyn die zweyten Ehen als thörig und schandbar. – Ey daß sie doch Gotts Marter schänd! rief Pantagruel. – Wohl, sprach Panurg, und auch den Bruder Scheidein, der mitten in seinem Sermon zu Parillè, als er da predigt' und auf die zweyten Ehen schalt, sich zum hurtigsten Teufel der Höll verschwur, wo er nicht lieber wollt hundert Dirnen entjungfern als Eine Wittwe aufkratzen. Ich find auch euern Grund ganz triftig und wohl fundirt. Wie aber etwann, wenn diese Freyheit ihnen ertheilt wär aus Ursach, weil sie im ganzen Lauf des ersten Jahrs ihre jungen Schätzlein so fleißig getüscht (wie auch ganz recht und billig war) und ihre spermatischen Vasa dermaasen ausgeträufelt hätten, daß sie davon ganz hundsdürr, welk, marod und schachmatt worden wären? So daß sie am Tag der Schlacht sich lieber, wie Enten, ducklings zum Gepäck, als bey die tapfern Kämpen stellten, wo's Schläg setzt, und wo Enyo zum Sturm bläst? und unter Martis Fahnen zum Fechten untauglich wären, weil sie schon hinter dem Umhang seiner Buhlen der Venus, die grossen Streich gethan? Wir sehn davon noch heutzutag unter andern Zeichen und Ueberbleibseln der Vorzeit den Beweis: daß man in einem jeden guten Haus, ich weiß selbst nicht nach wieviel Tagen, diese jungen Herrn Ehemänner zu ihrem Oheim auf Besuch schickt, damit sie von ihren Weibern kommen, ein wenig ausruhn und derweil sich wiederum verproviantiren, um bey der Heimkehr desto frischer und fröhliger auf dem Zeug zu seyn; wenn sie schon oftmals weder Ohm noch Bas in Leib und Leben[357] haben. Just ist wie König Habenix nach der Affair bey Hundes-Lotten uns nicht buchstäblicherweis die Schipp gab, mir und dem Wachtel, sondern uns nur zur Erholung nach Haus schickt'. Er sucht seins heut noch. Meines Großvaters Göt sagt' zu mir als ich ein kleines Büblein war:


Paternoster und Stoßgebet

Wers kann, dem wird es wohl bekommen.

Ein Pfeifer, der zur Heumahd geht,

Schafft mehr als zwey so davon kommen.


Was mich auf diese Meinung führt, ist: daß die Weinbergspflanzer auch im ersten Jahr kaum Trauben noch Wein von ihrer Arbeit zu kosten kriegten: noch auch die Bauherrn das erste Jahr in ihren neuen Häusern wohnten, wenn sie aus Mangel an Othem nicht ersticken wollten: wie solches weislich Galen in seinem zweyten Buch von Schwierigkeit des Othemholens notiret hat. Ich frugs euch nicht ohn wohlbedächtigen Fürbedacht noch gründlichen Grund. Drum nix für ungut.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 356-358.
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