Siebentes Kapitel.

[358] Wie Panurg den Floh im Ohr trug und seinen prächtigen Hosenlatz abthät.


Tages darauf ließ sich Panurg sein rechtes Ohr auf Jüdisch durchbohren und hing ein klein gülden Reiflein drein von Marketeri-Arbeit. Im Kasten desselben war ein Floh[358] gefaßt, und der Floh war schwarz; auf daß euch ja nichts zu zweifeln bleib. Ist ein gut Ding, von allem wohl belehrt zu seyn. Selbigen Flohes Unterhalt kam ihm, zu Buch summirt, terminlich nicht höher zu stehen als der Mahlschatz einer hyrkanischen Tigerinn; ihr könnts etwan auf 609000 Maravedi rechnen. Ein also ungebührlicher Aufwand verdroß ihn aber als er nun quitt war, und äzt' ihn seitdem, nach der Tyrannen und Anwäld Art, mit Schweiß und Blut seiner Unterthanen. Nahm vier Ellen grobes Sacktuch, warf es um wie einen langen einnähtigen Mantel, thät seine Hos ab, und hing eine Brill an sein Barett. In solchem Aufzug trat er vor den Pantagruel, der die Vermummung seltsam fand, zumal als er nicht mehr an ihm seinen schönen prächtigen Hosenlatz sah, darauf er doch sonst seine letzte Zuflucht, gleichwie auf einen heiligen Anker, in allem Unglücks-Schiffbruch setzt'. Weil nun der gute Pantagruel dieß Räthsel nicht lösen konnt, erforscht' und frug er ihn was er doch fürhätt mit dieser neuen Prosopopö. – Ich hab, antwort ihm Panurg, den Floh im Ohr. Ich will freyn. – Ey nun, zur guten Stund! versetzt Pantagruel. Mich freut dieß sehr, ich möcht in Wahrheit dafür kein – glühend Eisen nehmen. Ist aber nicht der Verliebten Brauch, also mit schlotternden Strümpfen zu gehn, und das Hemd ohn Hos bis übers Knie her hangen zu lassen. Auch dieß Sacktuch ist unter braven sittsamen Leuten zu einer talarischen Mantelkleidung eine fast ungewöhnliche Tracht. Wenn etliche Sektirer weiland, und stille Ketzer sich so vermummt, will ich, obschon sie manche Leut deßhalb des Trugs, der Büberey und tyrannischen Anmaasung über den blinden Pöbel bezüchtigt, sie drum nicht schelten, noch hierinn ein hartes Urtheil über sie fällen. Bestehet doch jeder auf seinem Sinn, zumal in fremden, äusserlichen, gleichgültigen Dingen, die an sich weder bös noch gut sind, weil sie nicht aus unserm Herzen und Innersten kommen, wo alles Guten und bösen Werkstatt: des Guten, wenn es ein guter, ein vom reinen Geist regirter Trieb ist; des Bösen, wenn der böse Geist den Trieb zur Sünd anreizt[359] reizt und fälschet. Misfällt mir nur die neue Sitt, und daß ihr den gemeinen Brauch höhnt.

Ich mein es ganserlich, ganz ehrlich, mit meiner Tracht, versetzt' Panurg. Dieß Sacktuch ist mein Tuch-Sack, mein Seckel; den will ich künftig selber führen und nah zu meinen Sachen sehn. Nun ich itzt einmal quitt bin worden, saht ihr noch nie einen steiferen Peter als ich werd seyn, wo Gott nicht hilft. Schaut hier meine Brill! Von weitem schwürt ihr ich sey der Bruder Jahn von Bourges. Gebt acht, ich thu auch künftigs Jahr noch einen Kreuz-Sermon. Gott schütz die Eyer vor Schaden. Seht ihr auch dieß Sacktuch? Glaubt, es steckt in ihm eine heimliche Tugend, davon wissen wenig Leut: ich trags erst seit heutmorgen, und schon kribelt, jückt und brennt michs auf allen Nähten nach Hochzeit, bis ich auf meinem Weib wie ein härener Teufel herum rasaun', ohn Furcht vor Schlägen. O edler Hauswirth, der ich seyn werd! nach meinem Tod verbrennt man mich auf hohem Holzstoß cum gloria, und hebt die Asch auf zum Denkmal und Fürbild des trefflichen Hauswirths. Blitz! diesen Seckel soll kein Cassir mir berupfen noch schröpfen, sonst setzts Faustpüff in die Schnut. Beschaut mich vorn und hinten, es ist die wahre Form der alten Tog, des Römerkleides in Friedenszeiten: ich habs entlehnt von der Trajans-Saul in Rom, von des Septimius Severus Triumphbogen. Ich bin müd des Kriegs, bin müd der Saga und Hocketen. Mein Rücken ist mir vom Kürißtragen ganz wund. Weg mit dem Heergeräth, her mit der Tog! zum mindesten dieß nächste Jahr, wann ich Hochzeit mach, wie ihr mirs gestern aus Mosis Rechten erwiesen habt.

Im Punkt der Hos, so sagt' mein Großbas Laurentia einst zu mir daß sie erfunden worden wär des Latzes wegen. Ich glaubs auch gern, aus gleichem Grund wie das gute Gäuchlein Galen im neunten Buch Vom Dienst der Glieder meldet, daß der Kopf um der Augen willen verfertiget wär. Denn die Natur konnt unsre Köpf auch an die Knie[360] oder Elbogen setzen: weil sie die Augen aber zum Fernsehn bestimmt, hat sie sie in den Kopf gleichwie auf einen Stock, zu oberst des Leibs gesteckt; wie wir die hohen Blüsen und Leuchtthürn in Meereshäfen stehen sehn, damit man die Latern aus weiter Fern erkennen soll. Und weil ich nun gern eine Weil, ein Jahr zum mindesten, vom Kriegsdienst verschnaufen, das ist freyen möcht, thät ich den Latz ab, und mithin auch die Hos, inmaasen der Hosenlatz des Kriegsknechts erstes Waffenstuck ist. Und behaupt bis zum Feuer, (exclusive wohl zu merken!) daß die Türken sehr schlecht zum Krieg gerüstet sind, wiefern das Tragen des Hosenlatzes in ihrem Gesetz verboten ist.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 358-361.
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