Zwanzigstes Kapitel.

[404] Wie Geißnas Panurgen mit Zeichen antwortet.


Geißnas ward herbey geholt und kam Tages darauf. Zum Willkomm schenkt' im Panurg ein fett Kalb, ein halbes Schwein, zween Lägel Wein, ein Last Getraidig, und dreyssig Franken kleine Münz. Führt' ihn darauf vor Pantagruel, und macht' ihm in Beyseyn der Kammerherrn dieß Zeichen: Er jähnt' eine gute Weil, und beschrieb im Jähnen vor dem Mund mit dem Daumen der rechten Hand die Figur des griechischen Buchstaben Tau zu öftern Malen. Hub darauf die Augen gen Himmel und dreht' sie im Kopf um, gleich einer Geiß wann sie verwirft: hustet' dabey, und seuft' tief auf. Itzt wies er auf seinen mangelnden Latz, nahm unterm Hemd dann mit ganzer Faust seinen Musketonner, und klatscht' damit melodisch zwischen den Schenkeln: bog sich aufs linke Knie, und blieb also in knieender Stellung, mit beyden Armen kreuzweis über der Brust gefaltet.

Geißnas betrachtet' ihn aufmerksam. Drauf hub er die linke Hand in die Höh', und ballt' an selbiger alle Finger, bis auf den Daumen und Zeiger, daran er die Nägel sanft zusamenbog. – Ich seh schon, sprach Pantagruel, was er mit diesem Zeichen meint. Es bedeutet Hochzeit und überdies die Dreyzahl nach Pythagorischer Lehr. Ihr werdet freyen. – Ey, sprach Panurg, und wandt sich zum Geißnas,[404] grossen Dank, mein kleiner Truchseß, mein Comit, mein Algosan, mein Sbirr, mein Barigell! – Drauf hub er dieselbige Linke noch höher, streckt' und spreizt' die fünf Finger daran so weit er konnt aus einander. – Hiemit zeigt er euch, sprach Pantagruel, noch deutlicher unter dem Bild der Fünfzahl, daß ihr freyn werdet, und nicht nur Freyt, Verlöbniß und Hochzeit halten, sondern auch Beywohnung; und daß ihr zum Zweck werd schiessen. Denn Pythagoras nannt darum die Fünfzahl die ehliche Zahl der vollzogenen Hochzeit und Vermählung, weil sie bestehet aus der Trias, welches die erste ungerade und Plus-Zahl ist, und aus der Dyas, der ersten geraden: wie Mann und Weib in eins verbunden. Derhalb man auch zu Rom vor Zeiten am Hochzeitstag fünf wächserne Kerzen brannt, und deren weder bey den Reichsten mehr, noch bey den Aermsten weniger zu brennen erlaubt war. Ferner riefen die Heyden vor Alters über ein junges Ehepaar fünf Götter an, oder vielmehr einen einigen Gott in fünferley Gnaden: den Jupiter Nuptialis, Juno des Festes Fürstand, Venus die Schöne, Pitho die Göttinn der Ueberredung und guten Wort, und Diana zum Beystand in Kindesnöthen. – O, rief Panurg, des gütigen Geißnas! Ich will ihm einen Meyerhof bei Cinais schenken, und eine Windmühl zu Mirebalais.

Itzt hub der Stumme mit grosser Gewalt und Leibeserschütterung zu niesen an, wobey er sich zur Linken kehrte. – Potz Millius! was ist dieß? sprach Pantagruel. Das bringt euch keinen Segen; es zeigt daß eure Eh unglücklich und infaust seyn wird. Dieß Niesen ist, nach des Terpsion Lehr, der Sokratische Dämon: wenn es zur Rechten geschieht, bedeutets daß man sein Werk getrost angreifen, kühn darauf zugehn soll, daß Anfang, Fortgang und Verlauf gut und beglückt seyn wird. Zur Linken ist es das Widerspiel. – Ihr, sprach Panurg, kehrt alles nur zum Uebel, und obturbirt allzeit, wie ein andrer Davus. Ich glaub kein Wort davon, und kenn auch den alte Schmöker Terpsion[405] nicht weiter denn als Leutbescheisser. – Gleichwohl, antwort' Pantagruel, sagt Cicero etwas hierüber im zweyten Buch der Divination. – Darauf kehrt' sich Panurg zum Geißnas, und macht' ihm dieses Zeichen für: Er zerret' die Augenlieder zu Berg, verdreht' die Kiefern von rechts nach links, und hing die Zung halb aus dem Mund. Dann streckt' er die linke Hand offen aus, bis auf den mittelsten Finger, welchen er wagrecht über die flache Hand hielt, und also auf den Ort seines Latzes aufsetzt'. Die Rechte ballt' er zusamen, bis auf den Daumen, den er steif unter der rechten Achsel zurückbog, und ihn über dem Gesäß an den Ort hielt, welcher auf Arabisch Alkatim heißt. Tauscht' darauf plötzlich um, un hielt die Recht' in Form der Linken dahin, wo ihm der Latz fehlt'; die Link' in Form der Rechten aber auf das Alkatim. Dieß Tauschen der Händ wiederholt' er zu neun Malen. Beym neunten bracht er die Augenlieder wieder in ihren natürlichen Stand, deßgleichen die Kiefern und die Zung; warf itzt sein Scheel-Aug auf den Geißnas, und wackelt' mit den Lefzen dazu, wie ein Aff wann er still sitzt, oder auch wie die Kanickel im grünen Haber.

Alsbald hub Geißnas die rechte Hand ganz flach in die Höh, schob dann den Daumen derselben bis ans erste Glied zwischen das dritte Glied des Arzt- und Mittelfingers, und druckt' sie fest um den Daumen, wobei er die andern Glieder an ihnen einkniff, den Zeiger aber und kleinen Finger gerad ausstreckt'. Die also zusammengefügte Hand setzt' er Panurgen auf den Nabel, bewegt' den Daumen in einem fort, und steift' die Hand, wie auf zwey Bein, auf den kleinen und auf den Zeigefinger. Also stieg er mit selbiger Hand Panurgen allmählig von unten auf, vom Bauch zum Magen, Brust und Hals bis an das Kinn, und steckt' ihm endlich den wackelnden Daumen gar ins Maul. Rieb ihm sodann die Nas damit, stieg zu den Augen fort, und stellt' sich als wenn er sie ihm mit dem Daumen ausstossen wollt. Dieß verdroß Panurgen, und strebt' sich von ihm zu befreyn und los zu machen. Geißnas aber fuhr immer fort ihm bald die Augen, bald die Stirn und Mützenränder mit seinem wackelnden Daumen zu tupfen. Endlich schrie Parnurg und[406] sprach: Potz Element! Herr Narr, laß ab, oder's setzt Püff. Narrt ihr mich länger, so papp ich euch mit dieser Faust einen Butzen auf euer Hundsgesicht. – Er ist ja taub, sprach Bruder Jahn, er hört nicht was du ihm sagst, Cujon. Mach ihm das Zeichen des Maulschellenhagels. – Was Teufel, rief Panurg, erkeckt sich doch der Hans Altbart! hat mir schier die Augen zu brauner Butter gequirlt. Bey Gott! (da jurandi) ein Traktament Wachteln mit doppelten Nasenstübern gespickt, das soll euch werden. – Damit entwich er, indem er ihm den Maulfurz macht'. Der Stumm' als er Panurgen sah ausziehn, verrannt ihm den Paß, hielt ihn zurück gewaltsam, und macht' ihm dieses Zeichen: Er senkt' den rechten Arm zum Knie soweit er damit langen konnte, ballt' alle Finger zur Faust zusamen, und steckt' den Daumen zwischen den Zeiger und mittelsten. Rieb sich darauf mit der Linken über dem Elenbogen am selben rechten Arm, und erhub im währenden Reiben die Hand desselben allmählig bis an den Elenbogen, und höher; ließ sie flugs wieder sinken, wie zuvor, dann hub und senkt' er sie wechselsweis, und wies sie Panurgen.

Panurg, verdrüßlich, hub die Faust auf, den Stummen zu schlagen. Doch aus Ehrfurcht vor Pantagruels Gegenwart hielt er noch an sich. Da sprach Pantagruel: Wenn euch die Zeichen schon verdriessen, o wieviel mehr erst werdens die Sachen, die sie bedeuten! Punkt für Punkt reimt sich das Wahre zu dem Wahren. Der Stumme zeigt an und bedeutet euch, daß ihr freyn werdet, daß man euch zum Hahnrey machen, schlagen, und bestehlen wird. – Das Freyn, antwortet' Panurg, concedo: das andre leugn ich; und bitt euch, thut mir die Lieb und glaubt: daß nie ein Mensch mit Weibern und Pferden auf Erden noch solch Glück gehabt hat, als mir prädestiniret ist.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 404-407.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel