Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

[411] Wie sich Panurg der Bettelmönch annimmt.


Als Panurg aus Murrnebrods Kammer herauskam, schrie er vor Entsetzen schier ganz blaß: hilf heiliger Gott! Ich glaub er ist gewiß ein Ketzer, oder ich will des Teufels sein. Schimpft auf die guten Bettel-Väter, die Franziskaner und Jakobiner, das doch die beyden Hemisphären der Christenheit sind, durch deren gyrognomonische Circumbilivagination, gleichwie an zween cölivagischen Filipenduln, der ganze antonomatische Matagrabulismus Römischer Kirch, wenn Irrlehr oder Ketzergewäsch ihr etwann das Haupt umnebelbälgt, homocentralisch zu Waffen zappelt. O alle Teufel! was thäten ihm die armen Teufel Kapuziner und Minimi? Sind sie nicht so schon schiewes genug, die armen Teufel? nicht etwann schon in Jammer und[411] Elend sattsam verrauchert und eingeschmaucht, die armen Wicht und Fischzehringer? Auf dein Ehr, sprich Bruder Jahn! kann er im Stand der Gnaden seyn? Er fährt, bey Gott! kopfüber zur Höll wie ein Teuflein, in dreyssigtausend Säck voll Teufel. Auf diese guten und wackern Pfeiler der Kirch zu schimpfen! heißt ihr dieß etwann poetische Wuth? Ich kann mich damit nicht zufrieden geben; er sündigt abscheulich, er plasphemiert die Religion, ich nehm daran schwer Aergerniß. – Da scheer ich mich, sprach Bruder Jahn, keinen Knopf drum. Sie schimpfen auf alle Welt, wenn alle Welt sie wieder schimpft, was fichts mich an? weist her, was schreibt er? – Panurg las mit Bedacht die Schrift des guten Alten, dann sprach er zu ihnen; er faselt nur, der arme Schlucker; aber ich halts ihm zu gut, ich glaub, er machts nicht lang mehr. Kommt, laßt uns ihm die Grabschrift machen. Nach dem Bescheid, den er uns giebt, bin ich so klug als ich in Ofen geschossen war. Gelt, Epistemon, scheint er dir nicht bündig in seinen Repliken, Schatz? Er ist bey Gott ein erzgeschickter verzwickter Sophist von Haus aus; ich wett, er ist ein heimlicher Hagarener. Potz Bock! wie schlau er seine Wort wägt, daß er ja fein bestehen kann. Er redt nicht anders als disjunctive, so kann er nicht fehlen; denn wenn da auch nur die eine Hälft wahr wird, hat er immer noch wahr genug gesprochen. Seht mir den Patelin! Ey Sankt Jago von Bressure! Wächst dieß Kraut auch noch? – Also, antwortet Epistemon, verwahrt' sich auch der grosse Seher Tiresias jedesmal zu Anfang seiner Prophezeyungen. Denen die ihn befrugen, gestund er ehrlich: Was ich euch sagen werd, das trifft entweder ein, oder nicht. Dieß ist der Stilus aller klugen Prognostici – Doch kratzt' ihm Juno auch beyde Augen dafür aus, versetzt' Panurg. – Wohl thät sie dieß, sprach Epistemon, aus Neid, weil er den Zweifel, den Jupiter aufgeworfen, besser als sie entschieden hätt. – Doch welch ein Teufel, sprach Panurg,[412] plagt diesen Meister Murrnebrod, daß er so unnütz ohn allen Grund, Anlaß noch Ursach auf unsre armen frommen Väter Jakobiner, Minoriten und Minimi schimpft? Ich nehm daran groß Aergerniß, auf Ehr! und kann dazu nicht schweigen. Er hat zu grausam schwer gesündigt. Sein Esel fährt in dreyssigtausend Spraukorb voll Teufel. – Ich kann euch nicht begreifen, sprach Epistemon: ihr selber ärgert mich schwer, weil ihr verkehrter Weis vom Orden der Bettelbrüder verstehen wollt, was der gute Poet von schwarzen, fahlen und andern Thieren sprach. Dergleichen sophistisch-phantastische Allegorien meint er, so viel ich weiß, gar nicht damit, sondern spricht absolute und eigentlich von den Flöhen, Wanzen, Mucken, Schnacken, Läusen und anderm solchen Ungeziefer, theils schwarz, theils fahl, theils grau, gelb-lohbraun, welche sämmtlich nicht nur der Kranken, sondern auch der starken und gesunden Leut Hauskreuz, Tyrannen und Pfähl im Fleisch sind. Vielleicht hat er Ascarides, Lumbricos oder Spuhlwürm im Leib. Vielleicht daß ihn an Armen oder Beinen (wie es in Aegypten und um das erythräische Meer eine alltägliche Landplag ist) die kleinen bunten Schlänglein zwicken, die die Araber Meden-Adern heissen. Ihr thut nicht wohl daran, sein Wort anders auszulegen, und versündigt euch nicht nur verleumderisch an dem guten Poeten, sondern auch wider gedachte Mönch, indem ihr ihnen solch Gift zur Last legt. Immer soll man an seinem Nächsten alles fein zum Besten kehren. – Lehrt ihr mich nur, antwort Panurg, die Mucken in der Milch erkennen. Er ist so wahr mir Gott helf ein Ketzer, und das ein ausgemachter, Clavelischer,[413] pockenräudiger, brennbarer Ketzer, zum Feuer reif wie ein allerliebst klein hölzern Uehrlein. Sein Esel fährt in dreyssigtausend Schieböck voll Teufel: und wißt ihr wohin? Potz Puff! mein Freund, grad untern Nachtstuhl Proserpinä, recht in den höllischen Zuber, darein sie die Grundsupp ihrer Klystir absetzt, zur Linken des grossen Bottichs drey Klafter von Luzifers Klauen, hart am Weg nach Demogorgons schwarzer Kammer. Hu, des Verräthers!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 411-414.
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