Neuntes Kapitel.

[36] Von des Gargantuä Farben und Leibtracht.


Die Farben des Gargantuä waren Weiß und Blau, wie ihr zuvor habt lesen können: und damit wollt sein Vater sagen daß er eine himmlische Freud wär. Denn das Weiß[36] bedeutet' ihm Freud, Vergnügen, Lust und Fröhligkeit, und das Blaue himmlische Ding. Ich merk zwar wohl, daß ihr bey Lesung dieser Wort des alten Zechers spotten und die Auslegung der Farben allzu ungewaschen und ausser Ordnung finden werdet: denn, sagt ihr, Weiß bedeutet Treu und Glauben, Blau Beständigkeit. Aber erhitzt, erbost, ereifert, eräschert euch nur nicht erst lang (denn es ist eine gefährliche Zeit) sondern gebt Antwort auf meine Frag: ein andre Streng werd ich nicht brauchen gegen euch noch wer es sey. Nur ein Paar kurze Tischwörtlein werd ich euch zu Gemüthe führen.

Wer sticht, wer stößt euch? Wer behauptet, daß Weiß Treu, Blau Beständigkeit bedeutet? Ein lotterichs Büchel, sprecht ihr, so die Bisarten und Ballenträger feil tragen, der Farben Wappen-Saal betitelt. Wer hat's g'macht? Wer er auch immer sey, daran hat er gescheit gethan, daß er nicht seinen Namen dazu geschrieben hat. Im übrigen[37] aber weiß ich nicht was mich an ihm mehr wundern soll, sein Fürwitz, oder seine Dummheit. Sein Fürwitz, daß er ohn all Ursach, ohn Grund noch Schein, ans eignem Ansehn sich vorzuschreiben erkecket was für Ding die Farben bedeuten sollen: welches der Tyrannen Art ist, die ihren Muthwillen statt der Vernunft aufwerfen, nicht aber der weisen verständigen Leut, die ihre Leser mit deutlichen Gründen zufrieden stellen.

Seine Dummheit, daß er vermeint die Welt werd ohn weitern Beweis noch bündige Argument ihre Wappen-Divisen nach seinem läppischen Schrollen einrichten. Und ist auch nicht ohn, denn er hat (wie das Sprichwort sagt: dem durchlaufigen Arß hangt allzeit der Dreck an) ein überley Häuflein Gecken aus der alten Zeit der hohen Mützen vorgefunden, die seinen Schriften Glauben geschenkt und ihre Denkreim und Wahlsprüch darnach geschustert, ihre Mäuler darnach bekappzaumt, ihre Buben gekleidet, ihre Hosen gemustert, ihre Handschuh verbrämt, ihre Betten befranzt, ihre Fähnlein gemalt, Lieder gefertigt und (was das ärgst ist) unter den züchtigen Matronen heimlich allerlei schlechte Ränk und Gaunereyen geschmiedet haben. In gleicher Finsterniß stecken auch diese prunkischen Höfling und Namen-Verrucker, die in ihren Divisen, um Hoffnung auszudrücken, eine runde Offnung, oder Hopfenstang malen lassen, ein Bein für Pein, das Kraut Ancholi für Melancholi, den zweigehörnten Mond für ein zunehmend Glück, eine zerbrochene Bank für einen Bankerottirer, Nicht und ein Panzerhemd für ein nicht hartes Kleid noch Wesen, Litzelsalat für Lizentiat: welches so alberne, fade, bäurisch barbarische Homonymien sind, daß man einem Jeden sollt einen Fuchsschwanz an das Koller henken und eine Larv von Kühdreck fürthun, der sich hinfüro noch in Frankreich nach Wiedereinsetzung der guten Künst und Wissenschaften, ihrer gebrauchen oder bedienen möcht.

Mit gleichem Fug (man sollt aber lieber Unfug und Narrheit sagen) könnt ich einen Schmachtriemen malen lassen zum[38] Zeichen daß man mich schmachten ließ: und einen Senffstopf für mein Herz, das man nicht eben sänftlich stopf, und einen Pißpott als Kämmerling. Mein Hosenboden wär ein Furzfaß, mein Hosenlatz eine Stiftscanzley, und ein März-Schwein wär ein Herzensschrein, darinn mein Liebsten Gunst belegen.

Gar anders hieltens im Alterthum die weisen Aegyptier wenn sie mit Lettern schrieben welche sie hieroglyphische nannten, die niemand verstund der nicht die Tugend, die Natur und Eigenschaft der unter denselben versteckten Ding wußt, und jeder verstund, der diese wußt: von denen Orus Apollon auf Griechisch zween Bücher verfaßt und Polyphilus im Liebestraum mit mehreren handelt. In Frankreich habt ihr davon ein Pröblein in der Divis des Herren Admirals, die vordem Octavianus Augustus trug. Doch länger soll mein Schiff in diesen unlustigen Strudeln und Seichten nicht treiben; ich lenk um, und geh im Hafen vor Anker, von da ich ausfuhr: hoff aber wohl noch eines Tags ausführlicher davon zu schreiben und theils durch philosophische Gründ, theils durch von allen Zeiten her beglaubigte und rezipirte Authoritäten darzuthun welche und wievielerley Farben in der Natur sind, und was eine jede bedeuten kann: wenn mir anders unser Herr Gott den Hutleist spart, das ist den Weinpott, wie mein Großmutter selige zu sagen pflegt'.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 36-39.
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