Zwey und Dreyssigstes Kapitel.

[105] Wie Grandgoschier um des Landfriedens willen die Wecken zurückerstatten ließ.


Hiemit schwieg der brave Mann Gallet. Aber Pikrocholus erwiedert auf seine ganze Rede nichts weiter als: Versuchts, versuchts, kommt her und holt sie: sie haben lange Schieber, sie werden euch Wecken backen lehren. – Also kehrt er wieder heim zum Grandgoschier, den er baarhäuptig auf seinen Knieen in einem Winkel seines Kämmerleins liegen fand, Gott bittend daß er Pikrochols Koller erweichen und ihn in Gutem wollt zur Vernunft bringen. Als er den braven Mann wieder sahe, frug er ihn: Ha mein Freund, mein Freund! Was bringst du für Zeitung? – Da ist, sprach Gallet, kein Ordnung mehr: denn dieser Mann ist gar von Sinnen und Gott verlassen. – Aber doch, spricht Grandgoschier, mein Freund! was Ursach dieses Frevels giebt er für? – Er hat mir, sprach Gallet, ganz kein Ursach dargethan, ohn daß er im Koller etlich Wort von Wecken ließ fallen. Ich weiß nicht ob man irgend seinen Weckenbäckern ein Leids gethan hat? – Dennoch, spricht Grandgoschier, will ichs zuvor erst hören, eh ich was weiters fürnehm. Befahl also dem Handel näher nachzufragen: da befand sich, daß seinen Leuten etliche Wecken genommen worden, und Marcket mit einem Klippel einen Streich aufs Haupt erhalten hätt. Wär aber gleichwohl alles richtig bezahlet worden, und hätt ernannter Marcket zuerst dem Forgier mit seiner Geisel die Bein zerhauen: auch war sein ganzer Rath der Meinung daß er notwendig sich wehren müssen. – Demungeachtet, sprach Grandgoschier, weil es an nichts als etlichen Wecken liegt, will ich ihn suchen zufrieden zu stellen, denn es will mir gar nicht ein, einen Krieg darum anzufangen.[105] Erkundigt' sich demnach wieviel man ihnen Wecken genommen hätt, und als er hört', vier bis fünf Dutzend: befahl er deren noch selbige Nacht fünf Karren voll zu backen, den einen mit lauter Wecken von guter Butter, gutem Ey-Gelb, gutem Saffran und edlem Gewürz, die man dem Marcket zustellen sollte. Auch für seinen Schaden gab er ihm siebenhunderttausend drey Philippsthaler, das Baaderlohn für den Verband seiner Wunden zu zahlen, und noch dazu den Meyerhof Pommadiere zu freyem Erb-Lehn ihm und den Seinen. Welches alles auszurichten und zu vollziehen Gallet gesandt ward, der unterwegs bei dem Weidicht einen Haufen grosser Schilf- und Rohrzweig abhaun und alle Karren und Kärrner damit ringsum bestecken ließ. Er selber hielt auch ein solches Rohr in der Hand, damit er sagen wollte daß sie nichts weiter als Frieden begehrten, und ihn zu erkaufen anhero kämen.

Als sie nun an das Schloßthor kamen, verlangten sie von Grandgoschier mit dem Pikrocholo zu reden. Aber er ließ sie nimmer ein, noch wollt er auch haussen mit ihnen sprechen, sondern ließ ihnen sagen er hätt Geschäft und sollten nur ihre Sach beym Hauptmann Staarenstör anbringen der eben auf der Mauer ein Geschütz postiert'. Zu diesem also sprach der Ehrenmann: Herr, den Zwist auf einmal zu schlichten und jeder Ausred daß ihr nicht wieder in unser Altes Bündniß trätet euch zu berauben, erstatten wir euch hie die Wecken darum der Streit ist. Fünf Dutzend nahm ihrer unser Volk: sie wurden zwar sehr wohl bezahlt. Allein wir halten den Frieden so hoch, daß wir fünf Karrn voll euch wiedergeben, von denen dieser hier für Marcket sein soll, der sich am meisten beschweret. Und überdieß, ihn gänzlich zu vergnügen, sehet da Siebenhunderttausend drey Philippsthaler, die bring ich ihm, und für den Schaden, den er etwann verlangen möcht, tret ich ihm noch den Meyerhof zu Pommadier' ab, ihm und den Seinen zu ewigem Freylehn und Eigentum. Da sehet die Verschreibung darüber. Und in Gottes Namen lasset uns von nun an Frieden halten! Zieht fröhlig heim in euer Land, steht diesen Platz ab, da ihr doch kein Recht dran habt, wie ihr selbst bekennet: und Freund' wie vor. – Der Staarenstör zeigt' alles dem Pikrochol an, und hetzt ihn immer ärger auf in seinem Sinn. Die Lümmels, sprach er,[106] haben einmal rechtschaffen Furcht. Der arme Wein-Schlucker Grandgoschier, er macht bey Gott! noch in die Hosen. Es ist sein Stärk nicht Krieg zu führen, wohl aber die Krüg zu leeren weiß er. Mein Meinung wär, man behielt dieß Geld und Wecken hie, und förderten im übrigen fleissig unser Schanzwerk und gutes Glück. Was! denken sie einen Gimpel zu körnen, daß sie mit Wecken euch ätzen wollen? Aber da sieht man was es ist: die gute Behandlung und die große Vertraulichkeit die ihr zeither ihnen stets erwiesen, machen euch zum Gespött vor ihnen. Schmier den Schelmen, so schiert er dich: schier den Schelmen, so schmiert er dich. – Sa, sa, sa! sprach Pikrocholus, beym heiligen Jack! sie sollens finden. Thut wie ihr sagt. Eins aber wollt ich euch dennoch rathen, sprach Staarenstör. Wir sind hie eben nicht sonderlich verproviantirt und mit Magenpflaster fast mager beschlagen. Wenn Grandgoschier uns belägern sollte, wollt ich von Stund an nur alle Zähn mir ausziehn lassen bis auf drey, und euerm Volk deßgleichen; damit kämen wir unserm Brodsack nur noch allzuzeitig auf den Grund. Ey was! antwort Pikrocholos, werden Futter vollauf han. Sind wir um Fressens willen hie, oder Streitens? – Um Streitens willen, freylich wohl, spricht Staarenstör, aber voller Wanst doch besser tanzt: und wo Hunger regiert, da bleibt die Stärk aus. – Genug geschwätzt! schrie Pikrocholus. Greift alles auf was sie mitgebracht. – Da nahmen sie Geld, Wecken, Karren und Ochsen und schickten sie ohn ein Wort wieder heim, als nur, sie sollten nicht wieder so nahe kommen aus Ursach die man ihnen morgen bedeuten würd. So zogen sie dann unverrichter Sachen wieder zum Grandgoschier und erzählten ihm alles, mit dem Bescheid es sey kein Hoffnung mehr übrig sie zum Frieden zu bringen ausser mit offenem Krieg und Gewalt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 105-107.
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