Drey und Vierzigstes Kapitel.

[352] Wie Bakbuk Panurgen ausstaffirt' zur Einhohlung des Boutelgen-Wortes.


Nach diesen Reden und Gedemm frug Bakbuk: Wer will unter euch das Wort der göttlichen Boutelg erforschen? – Ich, antwort Panurg, mit Ehren zu melden, euer armes kleines Trichterlein. – So geb ich euch, mein Freund, sprach[352] sie, nur diese einige Weisung mit, daß wenn ihr zum Orakel kommt, ihr mit nicht mehr denn einem Ohr das Wort zu hören euch bemühet. – (Es ist einöhriges Gewächs! sprach Bruder Jahn. –) Dann hing sie ihm einen Reitrock um, setzt ihm ein schön weiß Kindermützlein auf, mummt' ihn in einen Hippokras-Seihsack, an dessen Spitz sie statt der Quast drey Spießlein hing, behändschelt' ihn mit zwey altfränkischen Hosenlätzen, umgürtet' ihn mit drey verbundenen Bockshörnern, wusch ihm das Gesicht dreymal in obgedachtem Brunnen, warf ihm zuletzt eine Handvoll Mehl in die Augen, steckt' ihm rechts auf seinen Hippokras-Sack drey Hahnenfedern, ließ ihn neunmal um den Brunnen traben, drey kleine muntere Bockssprüng thun, und siebenmal mit dem Hintersten den Boden tupfen. Dabey sprach sie in einemfort, ich weiß nicht was für Beschwörungsformeln in Hetruszischer Sprach, und las zuweilen etwas aus einem Ritualbuch, das ihrer Mystagogen Eine ihr fürtrug. Ich glaub nicht daß Numa Pompilius, andrer Römerkönig, noch in Tuszien die Ceriter, noch der heilige Jüden-Feldherr jemals so viele Cerimonien als ich da sah, erfunden haben; noch ist der Apis in Aegypten von den Memphitischen Zauberern, noch Rhamnusia von den Euböern in der Stadt Rhamnes, noch Feronia, noch Jupiter Ammon vor Alters mit so viel Gepräng und heiligen Brimboriis verehret worden als ich dort sah.

So ausstaffirt nahm sie ihn fort aus unsrer Mitten, und führt' ihn durch eine güldne Thür rechts aus dem Tempel in eine runde Kapell, aus Specularstein und Phengites, deren feste Klarheit ohn alles Fenster oder andre Oeffnung, den Sonnenschein der durch die Kluft des Felsens fiel, worunter der grosse Tempel stand, so leicht und reichlich[353] einließ, daß das Licht vielmehr drinn zu entstehen, als von aussen zu kommen schien. Ein nicht geringeres Wunderwerk als der heilige Tempel weiland zu Ravenna, oder der Aegyptische auf der Insel Chemmis! Und darf auch nicht verschwiegen bleiben wie dieß runde Kapellen-Häuslein symmetrisch so bezirket war, daß des Grundrisses Diameter zugleich die Höh der Kuppel gab. Mitten darinnen war ein Brunnen aus feinem Alabasterstein, in heptagonischer Figur, von sonderbarer Arbeit und Bekleidung, voll so klaren Wassers, als nur ein einfach Element in seiner Lauterkeit zu finden. Halb in demselben stand die hochgebenedeyte Boutelg, in lauter schönen spiegelhellen Krystall gekleidet, eyrund von Gestalt, nur daß die Mündung dran um ein klein wenig offener war als sonst zu dieser Form sich schicket.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 352-354.
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