Funfzehntes Kapitel.

[263] Wie Bruder Jahn Klopfleisch die Katzenbälger zusammenzuhauen gesonnen war.


Aber, in aller Kutten Namen! rief Bruder Jahn, was ist denn das für eine Reis, die wir da thun? Eine rechte Hosenscheisser-Reis! Wir thun ja nix als fisten, farzen,[263] ferchen, faseln und gar nix thun. Blitz! das ist wider mein Natur. Wenn ich nicht stets einen Heldenstreich, ein grosses Werk vollführ, kann ich des Nachts nicht schlafen. Habt ihr mich nur darum zur Gesellschaft mit auf Reisen genommen, Meß zu lesen und Beicht zu hören? Ey potz Puff! so soll auch gleich der Erst' der kommt, zur Buß aufkriegen, als schlechter Kerl und feige Memm ins tiefste Meer zu springen auf Abschlag der Fegefeuerpein, kopfunter.

Was hat dem Herkules zu ewiger Unsterblichkeit und Ruhm verholfen, als daß er auf seinen Reisen um die Welt die Völker von Tyrannen, Irrwahn, Plack und Gefahren befreyt hat? Er schlug alle Räuber und Ungeheuer, giftige Schlangen und Bestien todt. Warum folgen wir nicht seinem Beyspiel? warum thun wir nicht wie Er gethan, in allen Ländern wodurch wir kommen? Er erschoß die Stymphaliden, die Lernäische Schlang, den Cacus, Antäus, die Centauren. Ich bin kein Studirter, doch die Studirten sagens mir. Nach Seinem Fürbild also laßt uns all diese schändlichen Katzenbälger erwürgen und zusamenhauen, die Teufelsbraten, und dieß Land von aller Tyranney befreyen. So wahr mir Mahom fern sey! Wär ich so stark und so gewaltig wie Er, ich bät euch weder um Hülf noch Rath. Na, solln wir? Ich versichr euch, wir ermurksen sie ganz leicht; sie steckens auch zweifelsohn geduldig ein. Denn haben sie doch mehr Schimpf und Spott geduldig von uns eingesteckt als zwanzig Säuen Spülicht söffen. Auf also!

Schimpf und Schand, sag ich, gilt ihnen gleich, wenn sie nur Batzen im Seckel spüren, und wärens auch über und über beschissen. Vielleicht erschlügen wir sie all trotz Herkules, es fehlt uns nur an dem Eurystheus der uns zwäng, und weiter nichts zu dieser Frist, als daß ich wünscht' daß Jupiter nur ein Paar Stündlein unter ihnen so auf und abspaziren möcht, wie er sein Schätzlein Semele, des guten Bacchus wahre Mutter einst heimsucht'.

Gott hat, sprach Panurg, uns die besondre Gnad erzeigt aus ihren Klaun uns zu erlösen: da komm ich nicht noch einmal hin, was mich betrifft. Ich bin vor Angst die ich da ausgestanden hab, noch ganz verstört und ausser mir; es hat mich schwer verdrossen, aus drey Gründen: fürs erst,[264] weil michs verdrossen hatt; fürs zweyt, weil michs verdrossen hat; fürs dritt, weil michs verdrossen hat. Horch auf itzt, Jahn, mit dem rechten Ohr, du mein links Hödel und Cujonel! So oft und jederzeit daß du zu allen Teufeln fahren wilt, vor den Stuhl Minos, Aeakus, Rhadamantus und Dis, bin ich dein unzertrennlicher Genoß, will Styx, Cocytus, Acheron mit dir passiren, dudeldick mich in den Fluthen Lethe's saufen, auf Charons Kahn das Fährgeld für uns Beyd entrichten: aber wieder in Verwahrsam, so dir etwann der Sinn dahin steht? Da such dir einen andern Gesellen! Mich kriegst du nicht; da bleib ich von; dieß Wort sey dir' ne eherne Mauer. Wenn man mich bey den Haaren nicht hin schleppt und schleift, komm ich, solang ich dieß Leben hab, so wenig hin als Kalpe zu Abyla. Ey! ist etwann Ulysses nach seinem Degen auch wieder in die Cyklopen-Höl zurückgelaufen? Prosit, nicht doch! Hab ich doch nix vergessen in Verwahrsam. Nein, ich komm nicht hin!

Ho ho! sprach Jahn, du wackres Herz und lahmer Hände Spießgesell, itzt her zu mir! ich hab mit dir ein Ei zu schälen, mein feiner Herr. Wie kams, und was bewog euch doch gleich sackweis mit harten Thalern drunter zu feuern? Haben wirs etwann wie Heu? he? hättens nicht ein Paar schäbige Batzen auch verricht? – Weil, antwort ihm Panurg, der Krellhinz bey jedem dritten Wort seinen sammtenen Schnappsack aufhielt und immer Gelt her! Gelt her! rief, so schloß ich draus, man würd uns wohl frey ausgehn lassen und ledig geben, wenn ich ihnen Gelt hin, Gelt hin würf, Gelt in Gottes und aller Teufel Namen, hin! Denn so ein sammtener Schnappsack ist doch kein Reliquienschächtel für Batzen und kleine Münz; das ist ein Hort für Sonnenthaler, siehst du nun wohl, mein Bruder Jahn und lieber kleiner Cujuncule! Wenn du einmal erst soviel wirst gebraten haben, und wirst gebraten worden seyn, als ich gebraten worden bin, wirst du halt auch wohl anders pfeifen. Und han sie's uns denn nicht selbst befohlen, wir sollen passiren, wir sollen ziehn?

Die Hundsfütter aber stunden immer noch dort im Hafen und warteten auf etwas Baares, und als sie sahen daß[265] wir in See gehn wollten, wandten sie sich an Jahnen, und schwuren daß man nicht fort käm ohn Erlegung des Trinkgelds an die Warteknecht, noch der Sportel-Tax. – Potz Hurlyburly! schrie Bruder Jahn. Seyd ihr noch hie, ihr Satans Geyer? Hab ich noch nicht hie gnug Aerger gehabt, daß ihr mich erst turbiren müßt? Na wart, bei des Herrn Leichnam! itzt sollt ihr euer Trinkgeld han, dieß schwör ich euch. Zog damit seinen Fochtel vom Leder, sprang aus dem Schiff, und hätt sie all in seinem Grimm elendiglich darniedergemetzelt, aber sie rannten davon als ob der Boden brennt', und waren unsern Augen entschwunden.

Die Plackerey war aber damit noch nicht zu End! denn Etliche von unsrer Mannschaft hatten sich mit Urlaub vom Pantagruel, während wir vor dem Krellhinz waren, in eine Schenk am Hafen gemacht, einmal zu trinken, und sich ein Weilchen dort gütlich zu thun. Nun weiß ich nicht ob sie die Zech halb oder ganz berichtigt; kurz die alte Wirthinn, als sie den Bruder Jahn am Land sah, erschien und führt' im Beyseyn eines Packan's (es war der Tochtermann eines Katzenbälgers) und zweyer Zeugen, sehr bittre Klagen über sie. Bruder Jahn, ihrer langen Brüh und Flausen überdrüssig, frug: Hundsfütter, meine guten Freund, wollt ihr in Summa damit sagen, unsre Matrosen wären keine rechtschaffne Leut? Ey so behaupt ich das Gegentheil, und wills euch auch zu Recht erweisen. Wißt ihr wie? hie mit Meister Fochteln! – Und damit ließ er seinen Fochtel ihnen brav um die Ohren sausen.

Die Bengels stoben davon im Trott, bis auf die Alte, die blieb und schwur dem Bruder Jahn zu, seine Matrosen das wären sehr rechtschaffne Leut, nur darum klagt' sie, daß sie nicht das Bett bezahlt, auf welchem sie nach Tisch geschlummert hätten, und wollt für das Bett noch fünf Tornosen-Sol extra. – Nun wahrlich! sprach Jahn, dieß ist sehr billig. Ey seht mir nur die Undankbaren! sie werdens nicht immer so wohlfeil finden. Gern will ichs euch bezahlen, aber ich möchts doch gern zuvor auch sehn. – Da führt' ihn die Alte in ihr Haus, wies ihm das Bett, lobt' es nach allen seinen Qualitäten und schloß, daß sie niemand übertheuert', wenn sie dafür fünf Sol begehrt'. Die fünf Sol gab ihr Bruder Jahn, schlitzt' aber dann mit seinem Fochtel[266] die Pfühl und Kissen mitten durch, und warf die Federn aus dem Fenster in alle vier Wind hinaus. Die Alte schrie Mord! Hülf! Zeter! sprang hinab und wollt die Federn zusamen lesen. Darum schor Bruder Jahn sich wenig, trug die Bettdeck nebst Unterbett und beyden Laken auf unser Schiff, und niemand sah ihn, denn von den Federn war die Luft stockfinster worden, wie von einem Schneegestöber, schenkt's den Matrosen und sprach dann zum Pantagruel, die Betten wären hie billiger als selbst um Chinon, da man doch die guten Gäns von Pautilé hätt; denn für das Bett hätt ihm die Alte nur fünf Zwölfer abverlangt, das um Chinon nicht unter zwölf Franken zu haben wär.

Sobald itzt Jahn und die Uebrigen wieder an Bord gestiegen waren, ging Pantagruel in See. Aber da erhub sich ein so heftiger Sirocko-Wind, daß sie den Curs verloren und, schier zu den Katzenbälgern zurückverschlagen, in einen mächtigen Wirbel kamen, davon die See erschrecklich hohl ging, und uns der Bub vom Fock-Mars oben herunter rief daß er noch immer Krellhinzens leidige Wohnungen säh. Darob Panurg, vor Angst von Sinnen, erbärmlich schrie: Patron! Freund! Linksum! Wind und Wellen zum Trutz, linksum! ach Freund! o nein, o nur nicht wieder in dieß verfluchte Land, wo ich meinen Beutel gelassen hab! – So trieb der Wind sie an ein Eiland, wo sie doch nicht gradan zu landen wagten, sondern wohl eine Meil von da an hohen Felsen vor Anker gingen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 263-267.
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