Neun und Dreyssigstes Kapitel.

[338] Wie in dem Tempel-Mosaiko die Schlacht repräsentiret war, die Bacchus den Indiern abgewann.


Zu Anfang waren abgebildet verschiedliche Städt, Dörfer, Schlösser, Burgen, Felder und Wälder all in Feuer stehend; ferner viel unsinnig rasendes Weibervolk, das wüthend Kälber, Schaaf' und Hammel, lebendig zerriss und das Fleisch verschlang. Womit uns angedeutet ward, wie Bacchus als er nach Indien kam, alles mit Feuer und Blut verheert.

Deßungeachtet ward er von den Indiern so gering geschätzt, daß sie nicht einmal wider ihn ausziehn mochten; denn sie hatten durch ihre Späher sichre Kundschaft, wie er in seinem ganzen Heer nicht einen einigen Kriegsmann hätt: nichts als ein armes altes kleines weibisches, immer besoffenes Männlein, und junges Landvolk wär mit ihm, das splitternackend ging, stets tanzt' und spräng, und Schwänz und Hörner hätt wie junge Ziegenböck; dabey ein grosser Haufen trunkener Weiber. Daher sie dann beschlossen sie ohn Schwertstreich ziehn zu lassen, gleich als ob es ihnen mehr zur Schand als Ruhm, zu Schimpf und Unehr, nicht zu Ehr und Siegespreis gereicht' ob solchem Volk zu triumphiren. Unter solcher Verachtung aber drang Bacchus immer tiefer ins Land, und überzog alles mit Feuer (weil Feuer und Blitz des Bacchus väterlich Wappen ist, auch Jupiter, eh er noch zur Welt kam, ihn mit Blitzen salutirt' und seine Mutter Semele sammt ihrem ganzen Haus im Feuer zu Asche brannte) und mit Blut deßgleichen, (denn in Friedenszeiten macht er, nach dem Naturlauf, erst das Blut, und zapfts dann ab im Kriege. Zum Zeugniß dessen dient das Feld Panäma oder Eitelblut auf der Insel Samos, wo einst Bacchus die Amazonen auf ihrer Flucht aus Ephesus einhohlt' und all ums Leben bracht durch Aderlaß; wovon dies Feld dann auch mit Blute ganz bedeckt und vollgetränkt ward. Woraus ihr itzt besser einsehn mögt als Aristoteles in seinen Problemen lehrt, warum[339] das Volk im Sprichwort einst zu sagen pflag: »In Kriegeszeiten iß kein Münz, noch baue sie.« Die Ursach ist: weil es im Krieg gemeinlich Hieb' ohn Ansehn der Person setzt, mithin man dem Blessirten, wenn er an dem Tage Münz gegessen oder berühret hätt, das Blut ohnmöglich, oder doch mit genauer Not würd stillen können.) Weiter war in der Emblematur geschildert, wie Bacchus in die Feldschlacht rückt' auf einem prächtigen Wagen von drey Jochen junger Pardel gezogen. Sein Antlitz war wie eines jungen Kindes, zum Zeichen daß kein guter Zecher jemals alt wird; roth wie ein Cherub, nicht ein einigs Barthaar am Kinn. Am Haupte führt' er spitzige Hörner, und darauf eine schöne Kron von Rebenblättern und Trauben, auch ein karmesinroth Käpplein, und an seinen Füssen güldne Bundschuh.

In seinem Zug war nicht ein einiger Mann zu sehn; all seine Truppen und ganze Leibwach waren Bassariden, Evanten, Euhyaden, Edoniden, Trieteriden, Mimallonen, Ogygien, Mänaden, Thyaden, Bacchiden, tolle, wüthende, verrückte Weiber mit Drachen gegürtet und zischenden Schlangen statt der Gürtel, mit wild im Winde flatternden Haar, Stirnbinden von Ranken, angethan mit Hirsch- und Geißfell, in den Händen kleine wie die Zirbelnüß gestalte Tyrsusstäblein, Streitäxt und Zinken schwingend und besondre leichte Schildlein, die, noch so sanft berührt, ein laut Getöse gaben, die sie nothfalls statt Tambourinen und Pauken schlugen. Deren Zahl war Siebenzigneuntausendzweyhundertsiebenundzwanzig. Die Vorhut ward vom Silenus befehligt, einem Mann auf den er sein Zutraun setzt', und dessen Tugend, Heldenmuth und Klugheit er in vielen Fällen zuvor schon treu bewährt erfunden. Dieß war ein klein alt[340] krummes schlottrigs schmerbauchichs sattellastigs Männlein, mit grossen aufgeregten Ohren, einer spitzigen Adlernas und grossen struppigen Augenbraunen. Er ritt auf einem Eselshengst, führt in der Faust einen Stock zur Stütz, um auch mit wacker drein zuhaun wenns abzusitzen gält, und war in eine gelbe Jup gekleidet nach Weiberart. Sein Heer bestand aus jungem Bauernvolk, gehörnt wie Geißböck, wie die Löwen grimmig, fasernackend, allzeit singend und Cordax tanzend: Tityr'n und Satyr'n hieß man sie: an Zahl Achtzigfünftausend, zwey Schock und dreyzehn.

Pan führt' den Nachtrab an, ein wilder erschrecklich misgestalter Kerl. Denn an dem untern Leibe glich er euch einem Bock; die Schenkel waren ganz zottig; himmelstarrende Hörner hätt er am Kopf; sein Angesicht wie Feuer roth, mit mächtig langem Bart daran: ein kühner, kecker dreister Kerl und sehr geschwind zum Zorn zu reizen. In der linken trug er eine Flöt, in der rechten Hand einen Hakenstock: seyn Troß bestand deßgleichen aus Satyrn, Faunen, Sylvanen, Aegipanen, Argipanen, Lemuren, Laren, Irrwischen und Kobolten, achtundsiebzigtausendeinhundertvierzehn an der Zahl. Ihr allgemeines Feldgeschrey und Losung war das Wort Evohe.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 338-341.
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