Acht und Dreyssigstes Kapitel.

[337] Wie des Tempels Pflaster herrlich mit emblematischen Bildern verziert war.


Nachdem ich diese Inscription gelesen, warf ich meine Augen auf die übrige Tempelpracht, und sah die schier unglaubliche Struktur des Pflasters, dem mit Fug kein Werk so jemals unter der Sonnen war oder noch ist, zu vergleichen; und wärs das im Pränestischen Fortunen-Tempel zu Syllä Zeiten, oder das Pflaster Asarotum der Griechen, das Sosistratus zu Pergam macht'. Denn es war tesselirte Arbeit in kleine Felder abgezirkt, alle von feinen polirten Steinen, jeder in seiner natürlichen Farb; eins rother Jaspis, artig mit verschiednen Flecken eingesprengt, eins von Ophites, eins[337] von Porphyr, eins Lykophthalm mit kleinen güldnen Fünklein wie Atomen besäet; eins Wellenagath mit milchigweissen unordentlich gemischten Flämmlein; eins edler Chalcedon, ein andres grüner Jaspis mit allerley rothen und gelben Adern; und waren sämmtlich nach diagonalischem Ebenmaas an ihre Stellen ausgetheilet.

Im Portikus war des Pflasters Muster ein Bildwerk aus kleinen sortirten Steinen, all in ihren ursprünglichen Farben, wie sie zur Zeichnung der Bilder sich paßten: und war als wenn man über dies Pflaster Weinlaub umher verstreuet hätt, ohn viele Wahl noch Eintheilung; denn hier schiens dick gesät zu seyn, dort spärlich. Und war dieß Blätterwerk zwar allerorten trefflich, aber an einer Stell zumal erschienen im Halbschatten ein Paar Schnecken drinn, die an den Trauben krochen; so an andern kleine Eidechslein das Laub durchschlupfend: hier da sah man halb reife Trauben, sah ganz reife, so geschickt und künstlich vom Architekten componirt und fürgestellt, daß sie die Staaren und andre Vögel betrogen hätten, trotz dem Bild des Herakläers Zeuxis weiland. Wie ihm nun sey, wir wenigstens versahen uns gar artig dran: denn an der Stelle wo der Meister die Blätter etwas dick verstreut, da krätschten wir mit hohen Schritten, aus Furcht uns an die Bein zu stossen, wie über rauhen, steinigen Weg. Hierauf wandt ich die Augen auf die Tempel-Kuppel und Wänd umher; die waren sämmtlich mit Porphyr-Marmel, oder musivischer Arbeit belegt, in wundervoller Emblematur vom einen End rings bis zum andern, worinn mit unglaublicher Zierlichkeit, vom Eingang linkerhand beginnend, die Feldschlacht die der gute Bacchus den Indianern abgewann, wie folgt repräsentiret war.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 337-338.
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