Neun und Zwanzigstes Kapitel.

[315] Wie Epistemon mit dem Brauch der Fasten unzufrieden war.


Gabt ihr wohl acht, sprach Epistemon, wie dieser schlechte Lotterbub und Brummpfaff uns den März als Monat der Unzucht pries? – Ey wohl, antwort Pantagruel und gleichwohl fällt er stets in die Fasten, die doch zu Kreuzigung des Fleisches, Ertödung aller Sinnen-Lüst und Venus-Furien eingesetzt ist. – Nun könnt ihr schliessen, sprach Epistemon, wie schlau der Papst muß gewesen seyn, ders eingesetzt hat,[315] wenn uns hier dieß faule Kobenschwein von Brummer frey gesteht daß es sich nie im Sündenschlamm der Hurerey so munter wie zur Fastenzeit herumgewälzt hab: auch nach dem offenbaren Zeugniß aller geschickten, erfahrnen Aerzt, die uns versichern daß das ganze Jahr lang keine zur Ueppigkeit mehr reizende Speissen gegessen werden, als um die Zeit: Nüß, Hering, Erbsen, Bohnen, Faseln, Kichern, Zwiebeln, Anchoven, Austern, Marinirtes, Salaten aller Art aus lauter venerischen Kräutern bereitet, als: Rauken, Kreß, Dragun, Nasturtium, Horn-Mohn, Rapunzeln, Wassereppich, Hopfen, Feigen, Rosinen, Reiß. – Wie aber solltet ihr euch erst wundern, sprach Pantagruel, wenn gar jener werthe Papst und erste Stifter unsrer allerheiligsten Fasten, wohl wissend daß dieß just die Zeit ist da die natürliche Lebenswärm aus dem Centro des Leibes tritt, wo sie der Frost gefangen hielt, und sich auf die Peripheri der Glieder, wie der Saft der in die Bäume geht, verbreiten will! wenn er, dieß wissend, gar die Speissen die ihr hier nennt, verordnet hätt, um die Vermehrung der Menschenraß dadurch zu fördern? Was mich drauf bringt, ist: daß im Kirchenbuch zu Touars die Zahl der im October und November geborenen Kinder grösser als der zehn andern Monat des Jahrs ist, die mithin, wenn man rückwärts zählt, all in der Fasten gemacht, erzeugt und empfangen sind! – Ich, sprach der Bruder Jahn von Klopfleisch, hör euern Reden fröhlig zu, und ist mir immer ein groß Vergnügen! allein der Pfarrer von Jambert schob dieß häufigere Schwangerwerden der Weiber nicht auf die Fasten speissen, sondern mehr auf die kleinen hökrigen Bettelmönch, auf die bekleckten und bedreckten Predigerlein, Seelsorgerlein und Stiefelpfäfflein; Die verdammten um die Zeit ihres Regiments die buhlerischen Ehemänner bis in den tiefsten Höllenpfuhl drey Lachtern unter Luzifers Krallen. Da dann die Männer aus Angst vor ihnen, nicht mehr die Zofen bürsteten, und wieder zu ihren Weibern kämen. Dixi.

Legt ihr, sprach Epistemon, den Brauch der Fasten nur nach Belieben aus; ein Jeder hält auf seiner Meinung;[316] aber wenn sie einst abgeschafft wird, (wie, ich besorg nicht fern mehr ist) da werden sich alle Aerzt auflehnen; das weiß ich; ich habs von ihnen selbst. Denn ohn Fasten wär ihre Kunst veracht, sie lösten nichts, kein Mensch wär krank mehr. In der Fasten wird alle Krankheit gesäet; sie ist die wahre Pflanzschul aller Uebel, recht ihr Mutterstock und Brutnest. Fasten, ihr vergeßt es, fressen nicht nur die Leiber faul; nein, auch die Seelen stürzen sie mit in Verdammniß. Da handiren die Teufel frey; da gehn die Kuttner an ihr Geschäft; da feyern Gleisner und Pharisäer schaarenweis ihre hohen Fest, Sessionen, Abläß, Stationen, Synteresen, Beichten, Staupen, Bannschiessen. Damit sag ich nicht, die Arimaspier wären hierinn besser als wir, allein ich hab doch meinen guten Grund dazu.

Holla! rief hier Panurg, du Brummer! komm her, Cujon, o Hurensohn: was hältst von Dem? ists nicht ein Ketzer? Br. Erz.

Pan. Muß er nicht brennen? Br. Muß.

Pan. Und das je eher je lieber? Br. Stracks.

Pan. Ohn ihn erst vorzubräckeln? Br. Ohn.

Pan. Also daß er im Feuer? Br. Leb.

Pan. Bis daß erfolgt der? Br. Tod.

Pan. Denn er hat euch zu schwer gekränkt? Br. Oh!

Pan. Hieltet ihr ihn nicht gar für? Br. Toll.

Pan. Meint ihr toll oder rasend? Br. Horn.

Pan. Was wollt ihr daß er gleich würd? Br. Asch.

Pan. Andre Leut hat man gebraten? Br. Viel.

Pan. Und war ihre Ketzerey nur? Br. Spiel.

Pan. Und wird auch ihrer noch braten? Br. Mehr.

Pan. Werd ihr ihnen pardonniren? Br. Schwer.

Pan. Sollt man sie nicht beyde braten? Br. Beyd.

Ich weiß doch nicht, sprach Epistemon, was ihr nun für ein Wohlgefallen an dem Geschwätz mit diesem schlechten Mönchslump findet. Wenn ich euch nicht von lang her kennt', würd ich in meinem Sinn von euch nicht eben allzu rühmlich denken.

Ins Herren Namen, sprach Panurg. Ich wollt ich könnt ihn dem Gargantua mitbringen, so gefällt er mir. Wenn ich vermählt bin, wärs ein guter Schalksknarr für meine[317] Frau, ihr Fou; – Ja, tutor, antwort Epistemon, per Tmesin! – Ha ha, arm's Panurgel! rief Bruder Jahn, itzt hasts; lang zu. Dein Horn steht fest dir hinten und vorn; ihm kannst du nicht entlaufen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 315-318.
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