Sechstes Kapitel.

[239] Wie die Vogel auf dem Läut-Eiland veralimentiret werden.


Pantagruel macht' ein trübes Gesicht und schien nicht sonderlich zufrieden mit dem viertägigen Aufenthalt, den der Aedituus für uns fürschrieb. Deß ward er innen, und sprach zu ihm: Herr, ihr wisset daß sieben Tag vor, und sieben nach der Bruma oder dem kürzesten Tage, niemals Sturm auf der See ist; und das thun die Element den Halcyonen zu lieb, weil diese der Thetis geheiligten Vögel um die Zeit am Ufer ihre Eyer legen und brüten. Hie nun revanchirt sich die See für ihre lange Ruh, und läßt vier Tag lang nimmer ab furchtbar zu stürmen wann sie merkt, daß Fremde kommen, in der Absicht, wie wir's verstehn, daß sie die Noth so lang hie soll zu bleiben zwingen damit sie von der Glockenspeiß der Bumbaums-Renten brav gastirt und unterhalten werden mögen. Drum achtet eure Zeit hie nicht unnütz verloren. Nolens Volens bleiben müßt ihr, wenn ihr nicht mit Juno, Doris, Aeolus, Neptun und allen Vejoven Händel haben wollt. Nur flott zu leben schickt euch an. – Nach den ersten Happen frug Bruder Jahn den Aedituum: So giebts dann nichts als Vogelbauer und Vögel auf euerm Eiland hie? Sie ackern nicht, sie baun kein Feld, ihr ganzes Thun ist schäkern, zwitschern und singen. Aus welchem Land denn kommt euch dieß Cornucopiä und Füllhorn all dieser guten Leckerbißlein? – Ey aus der ganzen andern Welt, antwort Aedituus, mit Ausnahm etlicher Aquilonischer Gauen, die gewisse Jahr her, leider Camariman moviret haben. – Hopp hopp, rief Bruder Jahn,[240] hum hum! Die werden euch auch noch heulen drum. – Trinkt, lieben Freund'! Allein woher des Landes seyd ihr? frug Aedituus. – Aus Tourain' versetzt' Panurg. – Nun meiner Treu, da stammt ihr wahrlich aus keinem schlechten Atzel-Nest, sprach der Aedituus, wenn ihr aus dem gesegneten Touraine seyd. Denn aus Tourain' ziehn wir alljährlich so guter Ding die schwere Meng daß eines Tages Leut von dort, die hie durchkamen, uns versichert, der Herzog von Tourain' hätt nicht mehr Einkünft gnug sich satt in Speck zu essen, wegen der unmässigen Spenden und Gaben die seine Vorfahren weiland an diese hochgelobten Vögel entrichtet hätten, nur daß wir hie uns an Fasanen, Rebhühnlein, Puterhähnen, Poularden, feisten Louduner Kapaunen und an allen Arten Wild und Wildprets erlaben sollten.

Trinket, Freund'! Seht nur dieß Stänglein Vögel an, wie zart sie sind, wie wohl genährt; und alles von Tourainer Renten. Auch singen sie für ihre Freund' anmuthiglich. Nie hörtet ihr die Nachtigallen heller trillern als sie bey Tisch, sobald sie nur die beyden güldenen Stäblein sehn, (– das ist ihr Stabsfest, sprach Bruder Jahn –) und ich die grossen Glocken läut, die über ihrem Bauer hängen. Trinkt, mein Freund'! Heut ist gewiß gut Trinken, heut und alle Tag. Nur zugetrunken! Seht, ich brings euch vom Grund der Seelen. Seyd uns schönstens willkommen.

Und besorgt nur nicht daß Wein und Speiß hie ausgehn: denn wenn gleich der Himmel ehern wär und die Erd von Eisen, uns gebrächs doch nicht an Futter, und wenn's sieben, wenn's acht Jahr währt', noch länger als die Hungersnoth in Aegypten. Auf! und laßt uns trinken, laßt uns netzen in guter Lieb und Einigkeit.

Den Teufel! rief Panurg, was ihr doch für ein kreuzgut Leben führt in dieser Welt! – O in der andern, antwortet' der Aedituus, da kommts noch besser: den Elysischen Feldern können wir nicht entgehn, zum wenigsten. Trinkt, Freund! Hie auf dein Wohlseyn. – Nun, sprach ich, in euern alten Siticinen muß doch ein göttlich hoher Geist gestecken haben, daß er sich die Mittel hat erfinden gelehrt, wodurch ihr habt was von Natur alle Menschen suchen, aber nur die wenigsten, oder eigentlich nicht Einer findt: das Paradies in[241] dieser und in jener Welt. O seelige Leut, o Erdengötter! Wollt Gott, mir würd es auch so gut!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 239-242.
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