Sechstes Kapitel.

[373] Vom Stand etlicher Land.


Das edle Königreich Frankreich wird dieß Jahr in allen Freuden und Wollüsten triumphiren; also daß auch viel fremde Nationen sich fleissig werden dahin begeben. Kleine Späßlein, kleine Bankettlein, tausenderley Ergötzlichkeiten werden daselbst gepflogen werden, das einem Jeden gefallen muß. Nie hat man noch so vielen guten und leckerhaften Wein erlebt. Vollauf Rettig im Limousin, vollauf Kästen in Perigord und Delfinat, vollauf Oliven in Languedock, vollauf Fisch im Meer, vollauf Sand in Olone, vollauf Stern am Himmel, vollauf Salz in Brouage im Brüh-Asch. Grüne Waar, Gemüs, Getraid, Obst, Milch und Butter die Hüll und Füll. Kein Krieg noch Kreuz, kein Hunger, Kummer noch Pestilenz: schad auf die Armuth, schad auf Sorgen, schad auf Melancholi und Gram. Und diese alten Doppelducaten, Rosenobel, Engellotten, Aigresinen, Realen und Langwollenhammel werden wieder in Umlauf kommen, nebst Seraphinen- und Sonnenthalern schockscheffelweis. Wird aber gegen Sommers Mitten ein Schwaden schwarzer Flöh und Neffen der Devinier' besorglich seyn, adeo nihil ex omni parte beatum est: Doch muß man sie mit guten Abendschmäuslein schmieren.

Welschland, Romanien, Napoli, Cicilien werden da stehen bleiben wo sie verschienenen Jahres stunden, werden gegen End der Fasten in fast tiefe Gedanken verfallen, und jezuweilen um Mittag träumen.

Deutschland, Antwerpen, Sachsen, Strasburg, Schweiz etc. werden gedeihn, wenn sonst nichts drein schlägt; die Bettelbriefträger müssen Respekt vor ihnen speissen: auch werden heuer dort herum nicht viel Seelmessen gestiftet werden.

Spanien, Kastilien, Arragonien, Portugal werden plötzlichen Durstnöthen sehr unterwürflich seyn: vorm Tod wird[374] ihnen mächtig graun, so Jung' als Alten. Werden sich drum die Füß warm halten, und fleißig ihre Thaler zählen, wenn sie noch deren übrig haben.

England, Schotten, Sterlinger werden sehr schlechte Pantagruelisten seyn. Wein wär ihnen so gesund als Bier, wenn er nur gut und firne wär. In allen Bretten wird ihr Hoffnung aufs Hinterspiel stehn. Sanct Trinian von Schottland wird Mirakel thun genug und satt, wird aber drum bey allen ihm geweihten Kerzen nicht um ein Stichel heller sehn. Wenn Aries in ascendendo nicht über seinen Dornstrauch strauchelt und ihm sein Bockshorn nicht gestutzt wird, werden Moskowiter, Inder, Perser und Troglodyter öfter die Blutscheiß kriegen, weil sie nicht von den Romanisten werden wollen beschaafbockt seyn. Durch Tanz des ascendirenden Schützen, werden Böhmen, Zigeuner, Juden dieß Jahr nicht eben den grünsten Zweig ihrer Wünsch und Gedanken erschwingen. Venus droht ihnen bittere Halskröpf; werden sich aber doch dem Willen des Millermahler-Königs fügen.

Blindschleicher, Alpmären, Kannibalen, Sarabaiter werden von Kühfliegen übel turbiret, nicht viel Kniewackel- und Schellenspiel treiben, wenn der Guajak nicht sehr gesucht ist.

Oestreich, Ungarn, Türkey – mein Treu, ihr Buebli, ich weiß nicht wie's ihnen gehn wird; bekümmer mich auch fast wenig drum, weil ich die Sonn so lustig seh in Capricornum einspaziren. Wißt ihr was mehr, so halt das Maul! und wartet den hinkenden Boten ab.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 373-375.
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