Sechzehntes Kapitel.

[80] Wie Bruder Jahn die Schick-aner probiert'.


Die Erzählung, sprach Pantagruel, wär ganz artig, wenn wir nicht die Furcht Gottes allzeit müßten vor Augen haben. – Besser wär sie, sprach Epistemon, wenn dieß junge Händschelwetter den feisten Prior getroffen hätt. Er gab sein Geld zum Spaß aus, theils den Basché zu ärgern, theils um die Schick-ans gebläut zu sehen. Seinem Glatzkopf wären die Faustpüff gesünder gewesen: in Betracht der unverschämten Plackereyen, die wir itzt diese Pedan-Dikasten auf ihrem Mist verüben sehn. Was hatten die armen Teufel die Schickan's verbrochen?

Dabey fällt mir, sprach Pantagruel, der alte römische Ritter Lucius Neratius ein. Er war aus edlem Geschlecht und reich für seine Zeit, allein dabey von so tyrannischem Temperament, daß er, wenn er aus seinem Palast ging, die Seckel seiner Diener mit Gold-und Silbermünz beschweren ließ, und wo er irgend auf den Gassen wohlgeputzte galante Herrlein in ihrem besten Staat antraf, da gab er ihnen aus[80] purer Lust, ohn daß sie ihm ichtes zu Leid gethan, die derbsten Faustschläg in's Gesicht. Alsbald darauf zur Sühn', und daß sie ihn nicht gerichtlich belangen sollten, zahlt' er ihnen von seinem Geld so viel aus, bis sie ganz vergnügt und befriedigt waren, nach der Tax in einem der Zwölftafelgesetz. Und bracht so sein Vermögen durch mit Leuteprügeln für sein Geld.

Nun bey Sanct Bendix heiligem Stiefel! rief Bruder Jahn, da will ich bald sehn was dran ist. Sprang sofort ans Land, fuhr mit der Hand in seinen Seckel, langt' zwanzig Sonnenthaler 'raus, und sprach darauf mit lauter Stimm in Gegenwart und Anhörung eines großen Schick-anerhaufens; wer will zwanzig Thaler verdienen, wenn er sich teuflisch prügeln läßt? Io, io, io, wieherten sie all; schlagt zu, Herr, bis wir stürzen; es gilt! hie giebts einen schönen Verdienst. Und rannten troßweis in die Wett, wer Nummer Eins so theurer Prügel möcht theilhaft werden. Bruder Jahn erkor ihm aus dem ganzen Trupp einen rothschnauzigen Schik-aner, der an dem Daumen rechter Hand einen großen breiten silbernen Ring trug, darein ein ziemlicher Krötenstein gefaßt war.

Kaum hätt er den erwählt, da sah ich daß dieß ganze Volk zu murren anfing; und einen langen, jungen, hagern Schick-an, (sonst ein feines Männel, geschickter Schreiber und, wie der Ruf ging, in Kirchensachen gewissenhaft) den hört ich bitter klagen und murren daß ihnen der Rothschnauz all ihre Kunden wegfischt', und wenn's im ganzen Gau nicht über dreyssig Stockschläg zu verdienen gäb, so schnappt' er deren doch allzeit achtundzwanzigthalben in seinen Sack. Dieß Murren aber und Klagen war alles purer Neid.

Bruder Jahn zerbläut' dem Rothschnauz mit hartem Stockholz, Bauch und Rücken, Arm, Bein, Kopf, Rumpf und alles so weich und windelweich, daß ich ihn auf den Fleck für todt hielt. Gab ihm darauf die zwanzig Thaler. Und mein Hans Aff in die Höh gesprungen froh wie ein König oder zween. Die Andern schrie'n auf Bruder Jahn ein: Herr Bruder Teufel, wenns euch beliebt für weniger noch unser Etlich zu dreschen, wir stehn euch all zu Dienst, Herr[81] Teufel, all euch zu Dienst mit Haut und Haar, Dint, Feder, Sack und Pack und allem.

Rothschnauz fuhr auf sie los und rief mit lauter Stimm: Kreuz Element! Hundsfütter, kommt ihr mir in den Markt? Wollt ihr mir meine Kunden verlocken und abhold machen? Ich citir euch vor'n Weihbischoff; die andre Woch sitzt ihr mir all im Hundeloch. Und schickaniren will ich euch wie'n Teufel von Vauverd! – Dann wandt er sich mit lachendem Mund ganz aufgeräumt zum Bruder Jahn, und sprach zu ihm: Ehrwürdiger Vater in Belzebub, wenn ihr mich als eine gute Haut erfunden habt, mein Herr, und euch verschlägts nix mich zu euerm Spaß noch was zu schlagen, thu ichs auch fürs halbe Geld. Schont mich nur nicht, ich bitt, ohn Umständ! Ich bin ganz und aberganz zu euern Diensten, mein Herr Teufel, Kopf, Lung, Därm und alles zusammen: ich mein es gut mit euch. – Bruder Jahn macht' dem Gespräch ein End und kehrt' ihm den Rücken. Die andern Schick-ans liefen zum Panurg, Gymnastes, Epistemon und den andern, beschworen sie fußfällig, doch für ein Geringes sie auszupochen, weil sie sonst sehr lang zu fasten beführen. Doch Keiner wollt drauf hören.

Hernach, wie wir nach frischem Wasser für unser Schiffsvolk suchten, sahn wir zwey alte Schick-anurren vom Platz gar jämmerlich zusamen heulen und lamentiren. Pantagruel, der auf dem Schiff geblieben war, ließ schon zum Rückzug blasen. Wir, vermuthend daß sie von der Freundschaft des durchgeprügelten Schick-ans wären, frugen sie nach dem Grund ihres Kummers. Und sie versetzten daß sie wohl sehr triftige Gründ zu heulen hätten, weil man soeben den beyden bravsten Leuten in ganz Schick-anien am Galgen den Mönch am Hals gebohrt hätt. Hum, sprach Gymnast, meine Pagen bohren ihren verschlafenen Cameraden den Mönch am Fuß: am Hals ihn bohren, müßt heissen den Mann erdrosseln, ihn henken? – Wohl, wohl! sprach Jahn, ihr sprecht davon wie Sankt Johann von der Lakenbüchs. Auf unsre Frag nach dem Warum des Baumelns, wurden wir bericht, sie hätten das Meßgeräth gestohlen und unter dem Stil des Dorfs versteckt. Das heiß ich mir, sprach Epistemon, recht schauderhaft verblümt gegeben!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 80-82.
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