Sechstes Kapitel.

[200] Wie Pantagruel einen Limousiner traf, welcher die Franzen-Sprach verhunzte.


Eines Tags, ich weiß selbst nicht mehr wanns war, spaziert' Pantraguel nach dem Abendbrod mit seinen Gesellen[200] zum Thor hinaus da man nach Paris zu gehet. Da begegnet er einem Schüler der ganz Schmuck und wohlgemuth des Weges kam, und nachdem sie einander gegrüsset, frug er ihn: Woher, mein Freund, um diese Stund? Antwort der Schüler: Aus der almen, inclytischen und celebern Academi, die man Lutezien vocitiret. – Was soll das heissen? frug Pantagruel einen von seinen Leuten. – Er meint, aus Paris, antwort' einer. – Also kommst du aus Paris? fuhr er fort. Und womit vertreibt ihr euch die Zeit, ihr Herren Studenten, in eurem Paris? Antwort der Schüler: Wir transfretiren die Sequan im Dilucul und im Crepuscul; wir deambuliren auf den Compiten und Quadrivien der Urb; wir despumiren die latialische Verbocination, und als verisimilische Amorabunden, captiren wir die Benevolenz des omnijudiken, omniformen und omnigenen feminischen Sexes. An manchen Dieculn invisiren wir Lupanarien am Champ Gaillard, Matcon, Bourbon, Hueleu oder im Sackgäßlein; da inkulkiren wir in venerischer Ekstas unsre Vereter in die penitissimen Rezeß der Pudenden amicabilissimischer Meretriculn. Dann cauponiziren wir in denen meritorischen Tabernen zum Tannenapfel, zur Magdalenen, zum Schlössel, oder auch beym Bundschuh, schöne vervecinische Spatuln perforaminiret mit Peterzilg. Und wenn durch Fortefortun etwann in unsern Marsupien Rarität oder Penuri des Pecuns entsteht und sie des ferruginischen Metalles exhauriret wären, dimittiren wir unsre Codiken und Vesten pignorischer Weis zur Zech, und prästoliren auf Zukunft derer Tabellarier von unsern patriotischen Laren und Penaten. – Was, rief Pantagruel, ist dieß für eine Teufelssprach? Du bist, so wahr mir Gott helf, ein Ketzer! – Ey, nicht doch, Senior, antwort der Schüler: denn libentissimlich, sobald nur vom Tag ein minutulisches[201] Streiflein illucesciret, demigrir ich in einen der schön architektirten Münster; und da mit schönem lustralischen Wasser mich irrorirend, knuspr ich mein Brösel ein und andrer missalischen Prezen unsrer Sacrificuler, und eluir und abstergir, indem ich meine horarischen Preculn dazu submirmilliren thu, meine Anim von ihren nocturnischen Inquinamenten. Ich reverir die Olympicolen, ich venerir den supernalischen Astripotenten latrialisch. Ich diligir und redamir all meine Proximer. Ich servir die dekalogischen Institut und discedir, nach Facultatul meiner Viren, um keines Unguiculs Lat davon. Zwar veriform ist, daß, weil Mammon in meinen Loculn keiner Gutten supergurgitiret, ich denen Egenen die ihre Stip hostiatimisch quäritiren, Elemosyn zu supererogiren ein wenig rar und lent bin. – Ey Quark! Quark! sprach Pantagruel. Was will der Narr? Ich glaub er macht uns hie eine Sprach der Teufel für, und will uns mit Zauberey verhexen. – Darauf sagt einer von seinen Leuten: Gnädigster Herr, ohn Zweifel will der Galan die Parisische Sprach nachäffen; aber er radebrecht nur das Latein, und hälts für hohen Pindarischen Schwung: meint Wunder was er für ein Meister in französischer Redkunst sey, wenn er die gemeine Sprechart verachtet. – Da frug ihn Pantagruel ob es wahr wär. – Der Schüler versetzt': O Senior Missari, mein Spirit ist keineswegs dazu apt nat, daß ich, wie dieser flagitiosische Nebulon spricht, unsere Gallische Vernacul crurifragiren sollt. Vielmehr, viceversalisch, navir ich Oper und enitir mit Velen und Ramen selbe durch latinicomische Redundanz zu locupletiren. –[202] Nun, sprach Pantagruel, bey Gott; ich werd euch reden lehren. Aber zuvor sag an, wo bist du her? – Drauf sprach der Schüler: Die primäre Orig meiner Aven und Ataven ist in den Lemovicischen Regionen indigenisch gewesen, allwo das Corp des hagiotaten Sanct Martialis requiesciret. – Ich versteh dich, sprach Pantagruel. Du bist mit Supp und Salz nichts weiter als ein ehrlicher Limousiner und wilt all hie Parisisch thun. Itzt komm, ich will dir die Kolb wohl lausen. Darauf nahm er ihn bey der Gurgel und sprach: Radebrechst du das Latein? so will ich beym Sanct Johann dich würgen bis du das Brechen kriegst unds wieder ausbrichst: denn ich will dir den Hals vom Rumpf brechen. – Da fing der arme Limousiner zu schreyen an und sprach: Jo Junkherr! so höre se do! helfa'n Sankt Marzel! au, au, oeiz lossa goih um Gottes Genod, und komm mir net z'noh! – So! sprach Pantagruel: Itzo redest du wie dir der Schnabel gewachsen ist, und ließ ihn los. Denn der arme Lateiner hätt sich die ganze Hos bekackt, die nicht mit rundem Boden, sondern auf Stockfischschwänzenart gemacht war: daß Pantagruel ausrief: Sankt Alipentin! so blas mir doch wo anders drein! Puh! Welch ein Stinkratz! Zum Geyer wär das Rettig-Maul! Pfui, wie er müfft! und ihn laufen ließ. Es blieb ihm aber sein Lebtag über ein solcher Gram und ward dermasen durstig darnach, daß er öfters zu sagen pflegt', Pantagruel hätt ihn bei der Kehl. Und etliche Jahr darauf verstarb er am Rolandstod, durch Gottes Finger und offenbares Strafgericht, uns einzuschärfen, was schon der Weise und Aulus Gellius längst gelehrt, daß wir nach üblicher Landesart zu reden uns befleissigen sollen,[203] und wie auch Cäsar verlegene Wort mit gleicher Sorgfalt zu meiden gebot wie Schiffer die Meeresklippen meiden.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 200-204.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel