Verschiedene Liebe.

[136] Ich hoffe, ich will mich mit der Erfahrung schützen, wenn ich behaupte, daß viele aus Neigung lieben, aber aus Eigennutz heiraten. Wenigstens haben diejenigen kein Recht, mir zu widersprechen, welche sich mit einem Frauenzimmer verbinden, die nach dem ordentlichen Laufe der Natur ihre Großmutter sein könnte. Diese Liebhaber der Altertümer gewinnen in der That sehr viel, wenn man ihnen schuld giebt, daß ihre Verbindungen aus Eigennutz geschehen. Ware dieses nicht, so würde man sie gar für närrisch halten. Und ich glaube, nach der Art, wie die heutige Welt denkt, ist es immer rühmlicher, eigennützig als närrisch zu sein. Ich bin also nicht wider diese Art der Ehen. Es scheint mir unleidlich zu sein, daß man dergleichen Frauenzimmern, welche ohnedem ihr Alter abergläubisch macht, so viel von Liebe und zärtlichen Empfindungen vorschwatzt. Es ist unbillig, ihre Leichtgläubigkeit zu mißbrauchen. Ich will ein Formular geben, wie man in dergleichen Fällen seufzen müsse. Ein jeder, der es braucht, wird es nach seinen Umständen zu verändern wissen. In der Hauptsache werden wir immer einig sein, wenn wir anders aufrichtig sein wollen.


*


Eigennützige Liebeserklärung eines jungen Menschen an eine alte Frau.

Madame,


Da ich nur 25 Jahre alt bin und Sie gestern in Ihr 57stes getreten sind, so wird mich die ganze Welt für einen Narren halten, wenn man erfährt, daß ich mich habe überwinden können, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe und Sie um Ihre Gegenliebe bitte. Wäre ich einer von den jungen[136] leichtsinnigen Menschen, welche auf weiter nichts sehen, als auf die Jahre und auf ein frisches blühendes Gesicht, so würde ich mir selbst diesen Vorwurf der Thorheit machen. Aber, nein, Madame, meine Liebe ist gründlicher und ernsthafter. Außer dem, daß Sie ungeachtet Ihrer Jahre noch immer das muntere und frische Wesen behalten, das Sie in vorigen Zeiten schön und reizend gemacht haben mag, so besitzen Sie gewisse Vorzüge, Madame, die Ihren Wert unendlich erhöhen. Jedes Jahr, das Sie zu alt sind, können Sie mit 1000 Thlr. abkaufen, und Sie kommen mir bei dieser Rechnung kaum als ein Mädchen von 16 Jahren vor. Ich schwöre Ihnen also bei Ihrem Gelde und allem, was mir ehrwürdig ist, daß ich Sie liebe und Ihre Vorzüge aufs heftigste liebe. Entschließen Sie sich, die Meinige zu sein. Ich glaube, Sie werden bei Ihren Umständen mehr nicht von mir verlangen, als Ehrfurcht und Geduld. Diese verspreche ich Ihnen. Da Sie so vernünftig sind, Mad., so traue ich Ihnen zu, daß Sie meine Geduld nicht mißbrauchen und zum längsten in 6 Jahren Anstalt machen, mich in die Umstände zu setzen, daß ich den schmerzlichen Verlust einer so ehrwürdigen Frau als ein betrübter Witwer zwei Monate lang beweinen und sodann durch Hilfe Ihres Geldes mir ein junges Mädchen wählen kann, in deren Armen ich dasjenige empfinde, was ich jetzt nicht fühle, und welche mich vergessen läßt, daß ich mir die Gewalt angethan habe, zu sein,


Madame,

der Ihrige.


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Ich habe mich schon oben erklärt, in wie weit ich es entschuldige, wenn junge Mannspersonen alte Weiber heiraten. Lächerlich sind sie mir immer, das kann ich nicht leugnen. Sind sie aber nur mit ihrem Vorteil lächerlich, so werden sie etwas haben, womit sie sich über die Spöttereien der Welt trösten können. Sie kommen mir wie diejenigen vor, die vor dem alten Bilde einer Heiligen knien, das schon ihr Großvater angebetet hat. Werden sie erhört, so ist es schon genug, nur darf diese Andacht nicht zu lange dauern. Ich habe einen Freund, welchen seine Schulden nötigten, auf diese verzweifelte Art zärtlich zu thun ... Er wünscht, daß sich andere an seinem Exempel spiegeln ... Hier ist der Brief, welcher der Grund zu seinem Unglücke war ...

Quelle:
Rabeners Werke. Halle a.d.S. [1888], S. 136-137.
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