Sie Schleifwege zum geistlichen Schafstall

[115] Der Schleifwege zum geistlichen Schafstall sind so viel, daß jemand dieser Gegend sehr kundig sein muß, wenn er es unternehmen will, sie alle oder doch nur die meisten davon zu beschreiben. Eines der sichersten und gewöhnlichsten Mittel ist dieses, wenn sich der Kandidat durch das Kammermädchen dem Herrn vorstellen läßt. Ich glaube nicht, daß jemand so abergläubisch sein und hierbei etwas Bedenkliches finden wird. Wider das Recht der Natur läuft es wenigstens nicht, und die Kirchengeschichte unserer Zeit rechtfertigt den Gebrauch. Der Raum gestattet mir nicht weitläufig zu sein ... Ein Mann, der Mut genug hat, diesen Schritt zu wagen – den weder Beispiele noch Vernunft abhalten können, sich mit einer Person auf ewig zu verbinden, welche sehr oft von einer problematischen Tugend ist und gewiß nicht vergessen wird, bei der geringsten Gelegenheit ihm vorzusagen, daß er durch sie Schutz und Amt gefunden hat: ein solcher Mann wird gewiß auch in seinem Amte standhaft bleiben. Die größten Verfolgungen, die über sein Amt ergehen, werden ihn nicht niederbeugen, da er weit größere in seinem Hause zu erdulden gewohnt ist ...


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Mademoiselle,


Da ich weiß, wie viel Sie zu gewissen Stunden über den gnädigen Herrn vermögen, so glaube ich, daß ich mein Glück in keine bessern Hände, als in die Ihrigen empfehlen kann. Ich wünsche mir, an die Stelle des vorigen Informators zu kommen, und dieses durch Ihre Fürsprache. Sie werden keine Ursache finden, es zu bereuen, da ich mir vorgenommen habe, die Hochachtung mit Ihnen zu teilen, welche ich sonst der gnädigen Herrschaft ganz schuldig bin, und da ich mich von meinem Vorfahren wenigstens dadurch unterscheiden werde, daß ich weder zu mürrisch noch zu pedantisch bin, Ihnen bei müßigen Stunden auf vielerlei Art zu sagen, daß ich sei,


Mademoiselle,

der Ihrige,

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N.S. (Nachschrift.)


Ich bin Magister, drei Ellen drei Zoll lang, 26 Jahre alt, habe, wie man mir sagt, einen feinen Fuß und bin geneigt, zu seiner Zeit in den Stand der heiligen Ehe zu treten.


Antwort im Kammermädchenstile.


Mein Herr Magister,


Ich habe mit ihm geredet, mit dem gnädigen Herrn. Er sagte, ... nein, gewiß nein, ich kann's Ihnen nicht sagen, was er sagte. Erst sagte er gar nichts, aber hernach ... ich werde ganz rot, er kriegte mich beim Kinn und sagte, wie er immer gern spaßhaft ist: He! kleine Hure, willst du dir den Informator ... Ich kann's bei meiner Ehre nicht raussagen; er fragte mich, ob ich Sie kennte. Bei meiner Frau Muhme habe ich ihn gestern gesehen, sagte ich, und da sagte ich weiter nichts. Mit einem Worte, mein Herr Magister, es ist so gut als richtig. Die gnädige Frau möchte des Teufels werden, aber es hilft nichts. Der Vorreiter hat ihr des Schulmeisters ältesten Sohn vorgeschlagen, und sie hat es auch dem Vorreiter versprochen. Nein, da wird nichts draus. Herr Jemine! das fehlte uns noch; so einen rotköpfigen Informator, den sollten wir noch ins Haus kriegen? Machen Sie sich immer fertig. Sobald der gnädige Herr wieder einen Anfall von der Kolik kriegt, will ich ihn noch einmal dran erinnern. Er ist ein gar zu lieber Herr! Wenn Sie zu uns kommen, das will ich Ihnen sagen, daß Sie sich aus der gnädigen Frau gar nichts zu machen haben. Sie hat noch ein Mensch bei sich. Das Maulassengesicht möcht' auch gern Kammermädchen heißen. Der vorige Informator sagte immer, sie hätte schöne weiße Zähne. Ich denke, der Balg wird ihm wohl nachziehen, wenn er weg ist. Aber ich weiß nun nicht, was sie thun wird; wenn sie nun – ich setze nun den Fall, sie bliebe noch da: da nehmen Sie sich ja vor ihr in acht, es ist ein böses, gefährliches Tier, sie hat ein meschantes Maul. Gott bewahre einen jeden Christen vor ihr! der Nikel! Nun, wie gesagt, machen Sie Ihre Sachen fertig, daß Sie auf Weihnachten anziehen können. Ich bin Ihre Dienerin.


N.S.


Wie Gott will, ich bin immer noch 21 Jahre alt. Unser alter Pfarrer wird doch nicht ewig leben. Kömmt Zeit, kömmt[116] Rat. Ihre Dienerin. Für das schöne Band danke ich; es ist auch ein gar zu niedliches Bündchen. Leipzig bleibt doch Leipzig.

Quelle:
Rabeners Werke. Halle a.d.S. [1888], S. 115-117.
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