Sechster Auftritt

[197] Vorige. Karl, in sehr schönen Reisekleidern, der Haß zur Mitte herein.


HASS. Es ist alles besorgt!

KARL. Schweig, sag ich dir! Wer waren die Mädchen, welche hier am Fenster standen? Warum sind sie entflohen? Sprich!

HASS. Euer Gnaden verzeihen – sie haben sich für höchstdero Verwandte ausgegeben.

KARL. Du lügst! Ruf sie, ich will sie sehen. Für sich. Mir sagt mein Herz, sie ists!

HASS für sich. Sollten mich die Weiber doch betrogen haben? Laut. Ich werde die Bedienten rufen.

KARL. Nein, du selbst, und schnell.

HASS. Ja, ja. Nur erlauben mir Ihro Gnaden vorher, Sie noch einmal zu warnen, diesen Ring ja nicht abzulegen, wenn Sie nicht mit ihm Ihre Geliebte und Ihren Reichtum auf immer verlieren wollen.

KARL. Besorge es nicht, er macht mich klug. Doch, um die Mädchen fort, und komme nicht ohne sie zurück, das rate ich dir.

HASS. Ich bringe sie. Nun wartet, ihr verdammten Weiber! Geht durch die Seitentür ab.[197]

KARL allein. Nein, die Erscheinung hat mich nicht getäuscht. Als ich verzweiflungsvoll den leeren Platz betrachtete, wo gestern Wurzels Haus noch stand, da füllte sich die Luft mit Dampf, und aus einer Rauchwolke von echten Knaster trat, meinen Dienern unsichtbar, ein ungarischer Geist, der mir befahl, ich möchte schnell nach Hause reisen, wo mein Lottchen mich erwartet, um heute noch mein Weib zu werden, und er hat wahr gesprochen, ich habe sie erkannt, es ist mein Lottchen.


Lottchen, Zufriedenheit treten aus dem Alkoven.


ZUFRIEDENHEIT. Ja, sie ist es.

KARL. Lottchen!


Will ihr in die Arme stürzen.


LOTTCHEN. Karl!


Ebenso.


ZUFRIEDENHEIT tritt zwischen beide. Haltet!

KARL. Was soll das?

ZUFRIEDENHEIT. Karl, aus meiner Hand nur kannst du dein Lottchen erhalten, der Bauer hat sie nur erzogen, ich bin die Bevollmächtigte ihrer Mutter, doch wenn du deinem Reichtum nicht entsagst, wirst du sie nicht erhalten.

KARL. Wie? Ich sollte wieder ein elender Fischer werden, da ich sie jetzt glücklich machen kann?

ZUFRIEDENHEIT. Nie wird sie durch diesen Reichtum glücklich werden, denn ein böser Geist hat ihn geprägt.

KARL. Du lügst! Mit Gefahr meines Lebens hab ich ihn errungen. Du bist ein böser Geist, der mir mein Glück entreißen will! Fort! ich erkenne dich nicht.

LOTTCHEN. Karl, sie meint es gut –

KARL. Glaub es nicht. Sie hat dich nur betört. Lottchen, wenn du mich liebst, so eilst du zur Vermählung. Alles ist bereit. Sieh mich zu deinen Füßen, ich habe jahrelang um dich gelitten. Kannst du mich verlassen?

LOTTCHEN. Nein, nein, das kann ich nicht! Verzeih mir, teure Freundin, aber mein Karl ist mir das Teuerste auf dieser Welt, ich folge ihm.

ZUFRIEDENHEIT. Du gehst in dein Unglück.

LOTTCHEN. Sei es auch, es geschieht für ihn. Sie will auf Karl zu.[198]

ZUFRIEDENHEIT die noch immer in der Mitte steht. Nun denn! Geister, sendet eure Macht.


Sie zerreißt die Perlenschnur.

Unter einem Trommelwirbel kommt Bustorius aus der Versenkung.


BUSTORIUS mit einer Windbüchse. Sukkurs ist da! Da hab ich kleine Windbüchsen, sein zwölf Geister drinnen, wie ich losschieß, fahrt einer nach dem andern heraus. Du Paidás, wirst parieren oder nicht? Was ist dir lieber, Geld oder Madel?

KARL. Ich will beide.

BUSTORIUS. Ich glaub gern! So Narren gäbs mehr. Nichts da, kannst nur eins haben.

ZUFRIEDENHEIT sanft. Karl, gib mir den Ring, den du am Finger trägst, und ich bürge dir für dein Glück.

KARL. Ha Betrügerin! Jetzt hast du dich entlarvt. Ich will den Ring und sie. Du fängst mich nicht.

BUSTORIUS. Das ist [ein] bockbeiniger Kerl!

KARL. Laßt sie los, oder ich rufe meine Geister!

ZUFRIEDENHEIT. Du opferst ihr den Ring nicht?

KARL. Nein!

ZUFRIEDENHEIT faßt plötzlich einen Gedanken, entreißt Bustorius seinen Zauberstab und berührt damit Lottchens Herz. So nimm sie hin!

KARL. Komm, Lottchen!

LOTTCHEN will freudig auf ihn zu, bleibt aber plötzlich stehen und sieht ihn ernst an. Ich kann dir nicht folgen. Fort von mir, ich liebe dich nicht – ich hasse dich!

KARL. Wie, sprichst du irre? mich, deinen Karl! Er schlägt mit der rechten Hand, an welcher er den Ring hat, an die Brust. Lottchen erblickt den Ring, stoßt einen Schrei aus und fällt in Ohnmacht. Die Zufriedenheit fängt sie auf. Was ist das? Hülfe! Hülfe! Zauberei! Bediente kommen. Entreißt ihr das Mädchen und schützt mich vor der Macht dieser Zauberer!

BUSTORIUS. Wie einer kommt her, schieß ich ihm ein paar Geister vor den Schädel.

KARL. Lottchen, was ist dir geschehen?


Er naht sich ihr.


LOTTCHEN. Fort! ich kann den Ring nicht sehen! Sieht den Ring, schreit und sinkt in Ohnmacht.[199]

BUSTORIUS. Nutzt dir nichts, sie liegt schon wieder da.

KARL. Weh mir! Er will auf sie zu. Sie ist bezaubert.

ZUFRIEDENHEIT. Ich habe sie bezaubert, ja! Solange sie lebt, wird sie keinen lieben, der auch nur einen Edelstein besitzt, und beim Anblick eines jeden Brillants wird sie ohnmächtig zu Boden stürzen. Wirf den Ring von dir, wenn du sie erhalten willst, oder ich entziehe sie auf immer deinen Augen!


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 197-200.
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