Sechster Auftritt


[388] Voriger. Habakuk.


RAPPELKOPF. He, Habakuk!

HABAKUK. Wie? Euer Gnaden wissen, wie ich heiß, und haben mich noch nicht gesehen?

RAPPELKOPF. Nu, ich kann Ihn ja wo anders gesehen haben.

HABAKUK. Ja freilich, ich war zwei Jahr in Paris. Befehlen Euer Gnaden etwas?

RAPPELKOPF. Ja! was ich sagen wollte – Beiseite. Ich trau dem Kerl nicht. Laut. Hat Er nicht ein Messer bei sich?

HABAKUK. Nein, ich werd aber gleich eins holen.


Will ab.


RAPPELKOPF erschrickt. Untersteh Er sich, ich brauch keins mehr. Ich hab nur etwas abschneiden wollen. Für sich. Er wär imstand, er holet eins.[388]

HABAKUK. Ich weiß nicht, ich trag sonst immer ein Messer bei mir –

RAPPELKOPF für sich. Nun da haben wirs ja, das ist ein routinierter Mörder. Laut. Lieber Freund, ich werd Ihm ein gutes Geschenk machen, geh Er mir ein wenig an die Hand. Er weiß, ich bin der Bruder Seiner Frau.

HABAKUK. Habs schon weg, Euer Gnaden.

RAPPELKOPF für sich. Unbegreifliche Zauberei! Laut. Sag Er mir, wie behandelt denn mein Schwager seine Frau?

HABAKUK. Infam, Euer Gnaden.

RAPPELKOPF. Was sagt Er?

HABAKUK. Oh, das ist ein sekkanter Mensch, der glaubt, die Leut sind nur wegen ihm auf der Welt, daß er s' mit Füßen tretten kann.

RAPPELKOPF für sich. Nun bei dem hört man doch ein wahres Wort. Der redt doch, wie er denkt. Laut. Ja, es soll nicht zum Aushalten sein. Darum kann ihn aber auch meine Schwester nicht ausstehen. Nicht wahr?

HABAKUK. Ah, was fallt Euer Gnaden ein, sie weint sich ja völlig die Augen aus um ihn. Ich kann sie nicht genug trösten.

RAPPELKOPF. Man hat aber erzählt, sie hätte ihn wollen gar ermorden lassen.

HABAKUK. Ah, hören Euer Gnaden auf. Euer Gnaden werden doch nicht auch so einfältig sein, das zu glauben.

RAPPELKOPF. Ja, Er ist ja, glaub ich, mit dem Messer auf ihn gegangen.

HABAKUK. Ich? warum nicht gar, ich fall in Ohnmacht, wenn sie nur ein Hendel abstechen. Er war im Gartenzimmer, und kein Mensch hat sich hinausgetraut, und die Köchin hat einen Zichori gebraucht, und die Frau hat gschafft, ich soll einen ausstechen.

RAPPELKOPF beiseite. Mit dem ewigen Zichori! am End ists doch wahr.

HABAKUK. Er laßt ja keinen Menschen zu Wort kommen, der Satanas.[389]

RAPPELKOPF für sich. Das ist ein impertinenter Bursch. Ein Verleumder. Laut. Und sag Er mir, ist denn Sein Herr ein gescheiter Mann?

HABAKUK verneinend. Ah! Vertraulich. Wissen Euer Gnaden, wir reden jetzt unter uns, es ist nichts zu Haus bei ihm.


Deutet auf den Kopf.


RAPPELKOPF beiseite. Nein, das ist nicht zum Aushalten. Gibt ihm Geld. Da hat Er, mein lieber Freund, Er hat mir schöne Sachen gesagt, ich bin sehr zufrieden mit Ihm, aber geh Er jetzt.

HABAKUK. Küß die Hand! Für sich. Aha, den freuts, daß ich über den andern schimpf. Er kann ihn nicht recht leiden. Ich muß noch ärger anfangen, vielleicht schenkt er mir noch etwas. Laut. Ja sehen Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein so zuwiderer Mensch ist mir nicht vorgekommen, und es gibt ihm alles nach, das ist gar nichts nutz, da wird er nie kuriert. Ich versteh nichts von der Medizin, aber ich glaub, wenn er einmal recht durchgewassert wurd, es müßte sich seine ganze Natur umkehren.

RAPPELKOPF. Jetzt hat Er Zeit, daß Er geht. Den Augenblick hinaus, Er undankbarer Mensch, wie kann Er sich unterstehen, so von Seinem Herrn zu reden? Gleich fort, oder ich schlag Ihm Arm und Bein entzwei.


Sucht einen Stock.


HABAKUK. So ists recht, jetzt fängt der auch an. Im Abgehen. Nun, den sag ich bald wieder was, das ist eine schreckliche Familie. Na, das ging' mir ab. Geht brummend ab.

RAPPELKOPF allein. So kann man seine Leute kennenlernen. Von meiner Frau redt er nicht so schlecht, er getraut sich nicht, weil er mich für ihren Bruder hält. Aber für einen Mörder ist er doch zu dumm, ich hab ihn für pfiffiger gehalten. Es wird doch auf den Zichori hinauskommen. Was mich das für eine Überwindung kostet, mit all diesen Menschen zu reden! Aber ich muß meine Untersuchung vollenden, weil ich sie begonnen habe und weil ich in nichts zurücktrete, wenn ich nicht muß, wie heut im Walde.[390]


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 388-391.
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