Erster Auftritt


[7] Feenpalast. Fee Rosalinde, auf einem Blumenthron, der zur Seite steht. Nymphen gruppieren sich um sie herum.


LIDI. Vergiß nicht, erhabene Fee, daß heute wieder hundert Jahre herum sind und du dich entschließen mußt, die Zaubergaben wieder einem der Sterblichen zu verleihen.

FEE. Verdienen denn die Menschen der heutigen Zeit, daß eine Fee ihrer noch gedenke?

LIDI. Es gibt mitunter recht artige Menschen, denen ich gar nicht feind bin.

FEE. Du scheinst von jeher mehr Vorliebe für sie zu haben, als der Feenwelt anzugehören. Ich bedaure dich; denn ich kenne diese Menschen. – Uns Feen selbst schont ihre Sucht zu spotten nicht mehr! Müßt ich nicht den Spruch des Schicksals erfüllen, ich würde die Zaubergaben auf ewig in ihrer Vergessenheit ruhen lassen.

LIDI. Wem willst du sie dann zuwenden? Du mußt dich doch entschließen!

FEE. Ein verhaßter Zwang! Wer verdient noch, glücklich zu werden? Bin ich nicht immer betrogen worden? Beglückte ich einen Armen, so mißbrauchte er im frechen Übermute meine Gaben – wandte ich sie einem Reichen zu, so ward es für ihn nur eine neue Quelle, den Armen zu höhnen. Wem soll ich sie verleihen?

LIDI. Überlasse es dem Zufalle. Lasse sie jenen finden, der in diesem Augenblicke sich am nächsten bei den Ruinen im Palmentale, in welchem diese Zaubergaben aufbewahrt sind, befindet.

FEE. Lidi hat recht! Nach Zufall will ich meine Gaben[7] spenden; ich will sehen, wer in diesem Augenblicke bei den Ruinen weilt.


Musik. Die Hinterwand geht auf, man sieht in einer ovalen Öffnung die nächstkommende Szene en miniature abgebildet und Quecksilber, durch einen Knaben repräsentiert, auf einer Ruine sitzen. Die Musik spielt sehr piano den Gesang von Quecksilbers nachfolgender Arie.


ALLE NYMPHEN. Das ist ein spaßiger Mensch!

FEE. Wenn mich meine Feenkraft nicht trügt, so ist es ein lebenslustiger Mensch, der dem Scherze huldigt; solche Menschen sind in der Regel nicht die schlimmsten.

LIDI. Er hat just etwas Lustiges gedacht.

FEE winkt, die Erscheinung verschwindet. Schlagt in dem Lexikon der Menschheit nach, wer der Fremdling eigentlich sei.

LIDI befolgt es in einem Buche, welches auf einem Postamente aus der Erde kommt. Er nennt sich Bartholomäus Quecksilber, ist ein zugrundgegangener Barometermacher, von sehr lustigem Humor, und ist auf dem Wege, sein Glück zu suchen.


Das Postament verschwindet.


FEE. Es soll ihm geholfen werden. Umgebt mich! Ich wende dem Fremdling die Gaben zu. Sie zieht mit ihrem Stabe einen Kreis.


Melodram


Horn, Stab und Schärpe soll er finden!

Du, Lidi, sollst ihm den Gebrauch verkünden!

Empfiehl ihm wohl, sie weise zu benützen,

Will er sie lang, und vorteilhaft besitzen.


Alle entfernen sich.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 7-8.
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Historisch kritische Ausgabe Band 1: Der Barometermacher auf der Zauberinsel, Der Diamant des Geisterkönigs
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