Sechster Auftritt

[519] Valentin.


VALENTIN.


Lied.


Heissa lustig ohne Sorgen

Leb ich in den Tag hinein,

Niemand braucht mir was zu borgen,

Schön ists, ein Bedienter z' sein.

Erstens bin ich zart gewachsen

Wie der schönste Mann der Welt,

Alle Säck hab ich voll Maxen,

Was den Mädchen so gefällt.


Zweitens kann ich viel ertragen,

Hab ein lampelfrommen Sinn,

Vom Verstand will ich nichts sagen,

Weil ich zu bescheiden bin.

Drittens kann ich prächtig singen,

Meine Stimme gibt so aus,

Denn kaum laß ich sie erklingen,

Laufen s' alle gleich hinaus.


Viertens kann ich schreiben, lesen,

Hab vom Rechnen eine Spur,

Bin ein Tischlergsell gewesen –

Und ein Mann von Politur.

Fünftens, sechstens, siebntens, achtens

Fallt mir wirklich nichts mehr ein,

Darum muß meines Erachtens

Auch das Lied zu Ende sein.


Ah! heut kann ich einmal mit Recht sagen: Morgenstund tragt Gold im Mund. Hat mir die Sängerin, die neulich bei unserm Konzert eine chinesische Arie gesungen hat, für das Honorar, was ich ihr von dem gnädigen Herrn überbracht hab, zwei blanke Dukaten geschenkt. Der gnädige Herr hat ihr aber auch für eine einzige Arie fünfzig Dukaten bezahlen müssen. Das ist ein schönes Geld. Aber[519] das ist doch nichts gegen Engeland. In London, hör ich, da singen s' gar nach dem Gewicht. Da kommt eine von den großen Noten auf ein ganzes Pfund, drum heißt man s' auch die Pfundnoten. Da verdient sich eine an einem einzigen Abend einige Zenten. Die müssen immer ein Paar Pferd halten, daß sie ihnen das Honorar nachführen. Aber es war auch etwas Göttliches um diese Sängerin. Ich versteh doch auch etwas von der Musik, weil ich in meiner Jugend öfter nach den Noten geprügelt worden bin, aber im Distonieren kommt ihr keine gleich. Ich hab die ganze Arie nicht hören können, weil ich im Hof unten war und die Jagdhund besänftigt hab, damit s' nicht so stark dreingeheult haben, aber einmal hat sie einen Schrei herausgelassen – Nein, ich hab schon verschiedene Frauenzimmer schreien ghört, doch dieser Ton hat mein Innerstes erschüttert. Aber den schönsten Wohlklang hat sie doch erst gezeigt, wie sie die zwei Dukaten auf den Tisch geworfen hat, das macht sie unsterblich. Und wenn ich ein Theaterdirektor wär: die engagieret ich unter den schönsten Bedingungen.

ROSA schleicht sich herein, tritt langsam vor und steht bei den letzten Worten mit verschlungenen Armen neben ihm. Und gelächelt hat sie auf mich – gelächelt hat sie –

ROSA. Nun und wie hat sie denn gelächelt? Lächelt boshaft. Wie denn? Hat sie so gelächelt – so?

VALENTIN. Ah, hör auf! Das ist ja nur eine Travestie auf ihr Lächeln. Du wirst dir doch nicht einbilden, daß du das auch imstand bist?

ROSA. Warum? Warum soll sie besser lachen können als ich?

VALENTIN. Nun eine Person, die für eine Arie fünfzig Dukaten kriegt, die wird doch kurios lachen können?

ROSA. Ja, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten, und die werd ich sein. Ich brauch keinen solchen Liebhaber, der in die Stadt hineinlauft und den Theaterprinzessinnen die Cour macht.

VALENTIN. Ich muß tun, was mir mein Herr befiehlt. Punktum!

ROSA. Du und dein Herr ist einer wie der andere.[520]

VALENTIN. Nu das wär mir schon recht, da wär ich auch ein Millionär wie er.

ROSA. Du hast deine Amouren in der Stadt, und er hat s' im Wald draus. Und wie schaust denn wieder aus? Den ganzen Tag hat man zu korrigieren an ihm! Ist denn das ein Halstuch gebunden, du lockerer Mensch? Geh her! Bindet es ihm.

VALENTIN. So hör auf, du erwürgst mich ja, schnür mich nicht so zusamm!

ROSA. Das muß sein.

VALENTIN. Nein, das Schnüren ist sehr ungesund. Es wird jetzt ganz aus der Mod kommen. Du sollst dich auch nicht so zusammradeln.

ROSA. Das geht keinen Menschen was an!

VALENTIN. Aber wohl! Das Schnüren hätt sollen gerichtlich verboten werden, aber die Wirt sind dagegen eingekommen.

ROSA. Wegen meiner! Ja apropos, du stehst ja da, als wann ein Feiertag heut wär? Wirst gleich gehn und dich anziehn auf die Jagd!

VALENTIN. Jetzt muß ich wieder auf die verdammte Jagd.

ROSA. Ja wer kann dafür, daß du so ein guter Jäger bist?

VALENTIN. Ah, ich jag ja nicht, ich werd ja gejagt. Sie behandeln mich ja gar nicht wie einen Jäger. Ich ghör ja unters Wildpret. Das letztemal hat der gnädige Herr eine Wildente geschossen, und weil kein Jagdhund bei der Hand war, so hab ich sie müssen aus den Wasser apportieren, und wie ich mitten drin war, haben sie mich nimmer herauslassen.

ROSA. Und das laßt du dir so alles gfallen?

VALENTIN. Ja weil ich halt für meinen Herrn ins Feuer geh, so geh ich halt auch für ihn ins Wasser.

ROSA. Nu so tummel dich, es wird gleich losgehen.

VALENTIN. Die verflixte Jagd! Wann man nur nicht so hungrig würd, aber ich versichere dich: Ein Jäger und ein Hund frißt alle Viertelstund.

ROSA. Schäm dich doch![521]

VALENTIN. Du glaubst nicht, was man auszustehen hat. Was einem die Gäst alles antun. Meiner Seel, wenn mir nicht wegen dem gnädigen Herrn wär, ich prügelt sie alle zusamm.

ROSA. So red doch nicht immer vom Prügeln in einem vornehmen Haus. Da sieht man gleich, daß du unterm Holz aufgewachsen bist.

VALENTIN. Wirf mir nicht immer meinen Tischlerstand vor.

ROSA. Weil du gar so pfostenmäßig bist.

VALENTIN. Schimpf nicht über mein Metier.

ROSA. Laß mich gehn. Ich nehm mir einen andern. Ich weiß schon, wem ich heirat.


Duett.


ROSA.

Ein Schlosser ist mein schwache Seit,

Das ist der erste Mann,

Der sorgt für unsre Sicherheit

Und schlagt die Schlösser an.

VALENTIN.

Mein Kind, da bist du schlecht bericht,

Der Tischler kommt zuvor,

Der Schlosser ist der Erste nicht,

Der Tischler macht das Tor.

ROSA.

Ein Schlosser ist zu schwarz für mich

Und seine Lieb zu heiß.

VALENTIN.

Verliebt sich ein Friseur in dich,

Der macht dir nur was weiß.

ROSA.

Nein! nein! ein Drechsler! o wie schön!

Der ist für mich gemacht.

VALENTIN.

Der kann dir eine Nasen drehn,

Da nimm du dich in acht.

ROSA.

Ein Bäck, der ist mir zu solid,

Ich fürcht, daß ich mich härm.[522]

VALENTIN.

So nimm dir einen Kupferschmied,

Der schlagt ein rechten Lärm.

ROSA.

Mit einem Schneider in der Tat,

Da käm ich prächtig draus.

VALENTIN.

Doch wenn er keine Kunden hat,

So geht der Zwirn ihm aus.

ROSA.

Ein Klampfrer ist ein sichrer Mann,

Dem fehlt es nie an Blech.

VALENTIN.

Ich ratet dir ein Schuster an –

Es ist halt wegnem Pech.

ROSA.

Ein Hutrer wär wohl nicht riskiert,

Der hat ein sichres Gut.

VALENTIN.

Ja wenn die Welt den Kopf verliert,

Da braucht kein Mensch ein Hut.

ROSA.

Ein Spekulant, o welche Pracht –

Doch hätt ich kaum den Mut.

VALENTIN.

Ah, wenn er pfiffig Krida macht,

Da gehts ihm erst recht gut.

ROSA.

Kurzum, ich wend im Kreis herum

Vergebens meinen Blick.

Drum kehr ich zu dem Tischler um,

Er ist mein einzig Glück.

VALENTIN.

Verlaß dich auf den Tischlerjung,

Der macht dir keinen Gram.

Und kriegt das Glück einmal ein Sprung,

Der Tischler leimts zusamm.[523]

BEIDE.

Ein schöner Stand ist doch auf Ehr

Ein wackrer Handwerksmann.

Seis Schneider, Schuster, seis Friseur,

Ich biet das Glas ihm an.


Beide ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 519-524.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Verschwender
Der Verschwender
Der Verschwender
Raimundalmanach / Der Verschwender

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.

188 Seiten, 6.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon