Sechzehnter Auftritt

[564] Wolf.


WOLF allein. Du schiffst nach England. Günstgen Wind! Ich bleibe hier und will mein Schifflein in den Hafen lenken. Wie doch die Sonne auf und nieder geht. Wer ist nun zu beneiden? Er? der stolze, der gepriesene Mäzen, der seines Glückes Reste, mit zerfallenem Gemüt, dem ungetreuen Meer vertrauen muß? oder ich, der sanfte, der bescheidene Kammerdiener, der sein still erworbnes Schäfchen demütig ins Trockne bringen kann. Und wem verdank ich diesen Sieg? Schlägt sich an die Stirn. dir, Klugheit! vielseitigste der Göttinnen! Die Natur hat mir nur eine starke Gallenblase gegeben, die nicht zerplatzt ist bei all dem Unsinn, den ich seit fünf Jahren in diesem Haus hab sehen müssen. Aber die Klugheit hat mich lächeln gelehrt. Oh, es ist eine große Sache um das Lächeln! Wie viele Menschen haben sich ihr Glück erlächelt, und ein Schwachkopf kann eine Minute lang für einen vernünftigen Mann gelten, wenn er mit Anstand zu lächeln weiß. Darum will ich lächeln über die Erbärmlichkeit, so lang ich noch zu leben habe, und dann eine laute Lache aufschlagen – auf welche Grabesstille folgt. Ab.


Als er schon in der Kulisse ist, drängt ihn Valentin zurück. Er hat seinen Tischlerkaputrock an und einen wachsleinwandenen Hut auf. Ein Paraplui und einen Spazierstock zusammengebunden unter dem Arm und ein kleines Felleisen auf dem Rücken, aus dem Sack steht ihm das kurze Tabakrohr seiner eingesteckten Pfeife. Er ist benebelt, ohne zu wanken oder zu lallen.[564]


VALENTIN. Halt! Barbar, wo willst du hin? Du kommst nicht von der Stell. Wie kannst du dich unterstehen, meine Geliebte zu verleumden? Was hat sie dir getan? Sie hat deine Liebesanträge nicht angenommen, weil du ihr zu häßlich bist. Kann es eine größere Tugend geben? Sie ist meine Verlobte, und du hast geglaubt, ich bin der Gfoppte! Sie soll einen Schmuck gestohlen haben. Diese schmucklose Person? Pfui, schäme dich!

WOLF. Jetzt hast du die höchste Zeit, aus dem Hause zu gehen, du Trunkenbold!

VALENTIN. Oh, ich hab Zeit genug! Ich hab eigentlich gar nichts mehr zu tun auf dieser Welt, als Ihnen meine Meinung zu sagen. Glauben Sie mir, Herr von Kammerdiener – ich will Ihnen nichts Unangenehmes sagen, ich versichre Sie, Sie sind ein niederträchtiger Mensch. Sie haben zwei arme Dienstboten aus dem Haus gebracht, die von ihrer Herrschaft treu und redlich bedient worden sind. Schluchzt. Aber der Himmel wird Sie dafür bestrafen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 564-565.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Verschwender
Der Verschwender
Der Verschwender
Raimundalmanach / Der Verschwender