Dritter Auftritt

[574] Vorige. Wolf. Er ist sehr gealtert, sieht sehr krank aus, ist in Pelz gekleidet und geht an einem Stock. Drei Bediente mit ihm.


FLOTTWELL fährt zurück. Himmel! ich hätt ihn nicht erkannt.

WOLF sein Betragen ist sehr düster und sinnend. Ich habe eine üble Nacht gehabt. Die Sonne kommt mir heut so trübe vor.

GÄRTNER. Gnädger Herr! Es will ein armer Mann Sie sprechen.

FLOTTWELL. Du lügst. Ich bins nicht mehr. Für sich. In solcher Nähe macht mich mein Bewußtsein reich.

WOLF. Er kann nicht ärmer sein als ich. Wo ist er?

FLOTTWELL tritt vor. Flottwell nennt er sich.

WOLF fährt zusammen. Flottwell? Fühlt in die Seite. Das hat[574] mir einen Stich gegeben. Die böse Gicht ist doch noch unbarmherziger, als es die Menschen sind. Für sich. Er lebt noch. Und kommt so zurück? So straft der Himmel seine Sünder.

GÄRTNER. Das ist der reiche Flottwell? Gute Nacht, da will ich lieber Gärtner sein.


Geht ab.


WOLF. Herr von Flottwell, ich fühle mich sehr geehrt, daß Sie sich Ihres alten Dieners noch erinnern, und bedauere nur, daß meine Krankheit, die mich schon seit vielen Jahren quält, mir nicht erlaubt, meine Freude über Ihre Ankunft so glanzvoll an den Tag zu legen, als Sie von mir es fordern könnten.

FLOTTWELL. Ich habe nichts zu fordern, gar nichts mehr. Was ich mit Recht zu fordern hatte, ist mir durch einen Höhern Blickt gegen Himmel. schon geworden. Ich wollte nur den Besitzer meines Schlosses sehen.

WOLF lächelnd. Ja, es ist ein ganz besondrer Zufall. Ich habe dadurch eine wahre Anhänglichkeit an Ihr Haus bewiesen. Der Himmel hat mich mit Gewinn gesegnet, aber ich habe jetzt große Verluste erlitten. Verzeihen Sie, der Arzt erlaubt mir nicht, so viel zu sprechen; ich weiß die Ehre Ihres Besuches sehr zu schätzen. Zu den Bedienten. Geleitet mich zu jener Aussicht hin. Doch nein! Ins Schloß zurück. Auch das nicht. Nach dem Garten. Der Garten ist so schön. Nur schade, daß die Rosen schon verwelken. Wird nachdenkend. Wie oft werd ich sie wohl noch blühen sehen? Schauert. Heut ist ein kalter Tag.

FLOTTWELL. Mir scheint die Sonne warm.

WOLF. Mich friert. Geht doch hinab ins Dorf und ruft den frommen Mann, den ich so gern jetzt um mich habe. Daß er mir ein moralisches Buch vorliest. Ich hör so gern moralische Bücher lesen. Die Welt ist gar so schlecht, und man kann seinen Trost nur in der Zukunft suchen. Schleicht in den Garten.


Die Bedienten folgen ihm.


FLOTTWELL zu dem letzten der Diener. Der Herr ist schwer erkrankt! Ist er geliebt? Wünscht man ihm langes Leben?[575]

DIENER schüttelt den Kopf und sagt gleichgiltig. Er ist ein geiziger Filz, den niemand leiden kann, und in einigen Wochen wirds wohl mit ihm zu Ende gehn. Adieu! Folgt den andern in den Garten nach.

FLOTTWELL sieht gegen Himmel und schlägt die Hände zusammen. O Flottwells Schloß, was beherbergst du für Menschen jetzt! Was soll ich nun beginnen? Die wenigen Taler, die ich noch besaß, hab ich auf meiner mondenlangen Wanderung verzehrt. Ich hab gespart und trocknes Brot gegessen, und doch besitze ich nicht einen Pfennig mehr. Dort mein altes Schloß! Sieht nach der Ruine in der Ferne. Es ist zum Sinnbild meines jetzgen Glücks zusammgestürzt. Er bleibt mit verschränkten Armen nachdenkend stehen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 574-576.
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