Neunter Auftritt


[438] Voriger. Ewald.


EWALD. Freude! Freude, lieber Simplizius!

SIMPLIZIUS. Ja, ja, das wird eine mordionische Freude werden, bei Wasser und Brot.

EWALD. Nein, lieber Simplizius, wir wollen fort von hier, in ein fernes Reich.

SIMPLICIUS. Ins Reich hinaus? Da war ich so schon. In Nürnberg und in Leutomischel.

EWALD. Nicht doch. Eine reizende Göttin hat mich und Sie zur Rettung eines Königreichs bestimmt.

SIMPLIZIUS. Mich?

EWALD. Ja, Sie. Goldgesäumte Wolken werden uns dem gemeinen Leben hier entrücken und uns in ein herrlich Land hintragen. Lassen Sie Ihren Gläubiger hier rasen. Er hat ja ohnehin nichts mehr zu fordern. Machen Sie sich reisefertig. Sie sind zu großen Dingen bestimmt.

SIMPLIZIUS. Zu was für ein?

EWALD. Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß es eine Krone gilt.

SIMPLIZIUS. Und die soll ich erretten? Nun das wird gut ausfallen. Sie verkennt mich.

EWALD. Nein, sie hat Sie ja gesehen und Ihren Mut belobt.

SIMPLIZIUS. Die Göttin? Ah, das ist göttlich! Aber weiß sie denn, daß ich –?

EWALD. Was?

SIMPLIZIUS. Nu! Er macht die Pantomime des Nähens.

EWALD. Ei, versteht sich. Alles weiß sie. Kommen Sie nur!

SIMPLIZIUS. Ich soll ein Land erretten! Ich kann mirs gar nicht anders vorstellen, als daß das Land durch Unruhen zerrissen ist, und ich muß zusammflicken. Oder sie fürchten sich, das Land erfriert, und ich muß ihn einen Povre machen. Und auf einer Wolken sitzen wir? da fallen wir ja durch.

EWALD. Bewahre, sorgen Sie sich nicht.[439]

SIMPLIZIUS. Nun Sie, wenn wir heut durchfalleten, das wär weiter kein Schand. Mir ist jetzt schon, als wenn ich aus den Wolken gefallen war.

EWALD. Ich steh Ihnen für alles.

SIMPLIZIUS. Oh, Sie sind ein gutes Haus. Was haben S' denn da für eine vergossene Kerzen?

EWALD. Das ist eben unsre Wunderfackel. Was ich durch sie bestrahlt wissen will, erscheint nach meinem Wunsche in der herrlichsten Gestalt. Und rosger Nebel wird das Auge eines jeden lieblich täuschen.

SIMPLIZIUS. Was das für Erfindungen sein, um die Leut hinters Licht zu führen, das geht über alles. Na wegen meiner, ich bin dabei, ich sitz doch lieber auf einer Wolken als im Arrest. Also gehen wir. Sieht durchs Fenster. Ums Himmels willen, dort kommt der Weinhandler, und zwei Schutzgeister hat er bei ihm mit klafterlange Spieß.

EWALD. Fatale Sache. Was beginn ich jetzt?

SIMPLIZIUS. Monsieur Ewald, mir fällt aus Angst etwas ein. Probieren wir die Fackel, richten wir das Zimmer prächtig ein. Tapeziern wirs aus. Vielleicht bekommt der Weinhandler einen Respekt und glaubt, er kriegt sein Geld. Warten Sie, ich sperr die Tür indessen zu, daß er nicht gleich herein kann. Tut es.

EWALD. Kein übler Gedanke. Doch das geht nicht so leicht, er wird fragen, wo wir die schönen Möbel her haben. Dann wird ihm die Fackel auffallen. Still!

RIEGELSAM klopft von außen. Nu aufgemacht. Ich weiß, daß wer zu Hause ist.

SIMPLIZIUS. Gleich, gleich. Heimlich. Was tun wir denn?

EWALD ebenso. Geben Sie mich für einen Engländer aus, dem die Möbel gehören und der für Sie zahlen will.

RIEGELSAM. Ich schlage die Tür ein, wenn Er nicht aufmacht.

SIMPLIZIUS. Richtig, fangen Sie nur zum möblieren an. Ruft. Nur warten!

RIEGELSAM. Warten, du verdammter Bursche? Wart du auf meinen Stock, wenn ich hineinkomme.


[440] Ewald hat indessen die Fackel geschwungen, die sich selbst entzündet. Musik. Auf einen Schlag verwandelt sich das schmutzige Zimmer in ein herrliches gemaltes und reich möbliertes. Große Gemälde mit goldenen Rahmen, nebst einer schönen Wanduhr präsentieren sich. So verwandeln sich auch die Tür, das Fenster, Tisch und Stühle. Das Ganze zeigt sich jedoch im bleichen Rosenlichte. Diese Verwandlung darf nicht durch Hinaufrollen der Kurtine geschehen, sowohl die Kurtine als Kulissen müssen auf ihrem Platz bleiben, und nur die Hälfte der Hinterwand muß schnell herabfallen und die Kulissen umklappen, so daß die Verwandlung kaum das Auge belauschen kann.


SIMPLIZIUS erschrickt. Mich trifft der Schlag! Das wird doch ein schöner Betrug sein. Ich glücklicher Mensch, das ghört alles nicht mein.

EWALD steckt die Fackel in die Kulisse, wo der Schreibtisch steht, setzt sich schnell dazu und stützt das Haupt auf die Hand. Nun öffnen Sie! Sagen Sie, ich dichte und wollte ungestört bleiben! und Sie hätten geschlafen.

RIEGELSAM. Brecht das Schloß auf!


Sie schlagen an die Tür.


SIMPLIZIUS öffnet schnell. Ist schon offen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 438-441.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die unheilbringende Zauberkrone
Raimundalmanach / Die unheilbringende Zauberkrone: Oder König ohne Reich, Held ohne Mut, Schönheit ohne Jugend

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon