Zweiter Auftritt


[464] Musik. Lulu und Fanfu, geflügelte Genien, bringen Simplizius in einem großen Schal, welchen sie an beiden Zipfeln halten, als trügen sie etwas in einem Tuche, durch die Luft. Sie stehn auf Wolken, und der Schal ist ein Flugwagen und so gemalt, daß Simplizius gekrümmt wie ein Kind darin liegt und kaum sichtbar ist. Sie sinken auf die Erde.


LULU. So! steig nur heraus, du tapferes Hasenherz. Hier sind wir schon in Sicherheit.

FANFU. Nun Schnecke, streck den Kopf heraus.

SIMPLIZIUS streckt den Kopf heraus. Wo sind wir denn? Ich muß erst meine Gliedmaßen alle zusammsuchen. Steigt aus, die Genien helfen. Der Schal fliegt wieder fort. So! Ich dank untertänigst, das sind halt Kinderln wie die Tauberl. Au weh, so ein Erdbeben möcht ich mir bald wieder ausbitten. Ich schau beim Fenster hinaus in meiner Schuldlosität, auf einmal fangts zum krachen an, als wenn die ganze Welt ein Schubladkasten war, der in der Mitten voneinanderspringt, und ich stürz über den siebenten Stock hinunter, die zwei Kinderl fangen mich aber auf und fliegen mit mir davon. Kaum sind wir in der Höh, macht es einen Plumpser, und die ganze Stadt rutscht aus und fällt ins Wasser hinein. O unglückselger Tag! Der arme Dichter hat sich eingetunkt mit seiner Weisheit. Weil nur ich nicht ins Wasser gfallen bin, die Schneiderfischeln[464] hättens getrieben. Überhaupt, wenn die Fisch die Zimmer untern Wasser sehen, die werden sich kommod machen. Wenn so ein Walfisch unter einem Himmelbett schlaft, der wird Augen machen, zwar daß ein Stockfisch auf einem Kanapee liegen kann, das hab ich an mir selber schon bemerkt. Wenn nur keiner in eine Bibliothek hineinschwimmt, denn da kennt sich so ein Vieh nicht aus. O du lieber Himmel, ich werd noch selbst ein Fisch, aus lauter Durst. Kniet nieder. Liebe Kinderl, seids barmherzig, laßt mir etwas zufließen. Sonst muß ich verdursten.

LULU. Dein Durst ist uns recht lieb, wir haben dich darum hieher gebracht, um dich zu wässern.

SIMPLIZIUS. So wässerts mich einmal, ich kanns schon nicht erwarten.

LULU. Trink dort aus jenem See. Hier hast du eine Muschel. Holt eine vom Gestade.

SIMPLIZIUS. Der rotköpfige See? Aus den trau ich mich nicht zu trinken.

LULU UND FANFU streng. Du mußt.

SIMPLIZIUS fällt auf die Knie O meine lieben Kinderl, seid nur nicht böse, ich will ja alles tun aus Dankbarkeit. Ich sauf wegen meiner das ganze rote Meer aus und das schwarze auch dazu, wenn es sein muß.

LULU reicht ihm eine Muschel voll Wasser. Trink. Es scheint nur rot zu sein, es ist doch reiner als Kristall.

SIMPLIZIUS. So gib nur her. Er zittert mit der Muschel. Ich zittre wie ein hundertjähriger Greis. Trinkt.

LULU. Er trinkt, nun wird er blutdurstig werden.

SIMPLIZIUS. Ah, das ist ein hitziges Getränk.

Wie ein Vanigli-Rosolio. Rollt die Augen. Was geht denn in mir vor? Potz Himmeltausendschwerenot!

LULU zu Fanfu. Siehst du, es wirkt, er wird gleich eine andre Sprache führen. Beide nähern sich ihm sanft. Was ist dir, lieber Zitternadel?

SIMPLIZIUS wild. Still! Nichts reden auf mich. Ihr Bagatellien! Ich begreif nicht, was das ist. Ich krieg einen Zorn[465] wie ein kalekutischer Hahn und weiß nicht wegen was. Wenn ich ihn nur an jemand auslassen könnt! Bringt mir einen Stock, ich wix mich selbst herum. Die Genien lachen heimlich. Ja was ist denn das? Ihr seid ja zwei gottlose Buben übereinander. Ihr seid ja in die Haut nichts nutz. Euch soll man ja hauen, so oft man euch anschaut. Das seh ich jetzt erst.

DIE GENIEN nahen sich bittend. Aber lieber Zitternadel –

SIMPLIZIUS reißt einen Baumast ab. Kommt mir nicht in meine Nähe, oder ich massakrier euch alle zwei.

LULU. So hör uns doch, du mußt nach Kallidalos fliegen, dort findest du den Dichter, deinen Freund.

SIMPLIZIUS. Nu der soll mir trauen, den hau ich in Jamben, daß die Füß herumkugeln. Jetzt macht fort und schafft mir ein kollerisches Pferd, daß ich durch die Luft reiten kann.

LULU. Ein kolerisches Pferd, das wirft dich ja herab?

SIMPLIZIUS. So bringts mir einen Auerstier, der wirft mich wieder hinauf.

LULU. Nu, wie du willst. Er winkt, ein geflügelter Auerstier erscheint in Wolken. Ist schon da.

SIMPLIZIUS. Ha, da ist mein Araber. Jetzt wird kallopiert. Setzt euch hinauf auf die zwei Hörndel.

LULU. Oh, wir getrauen uns nicht. Reit nur voraus, wir kommen dir schon nach. Laufen ab.

SIMPLIZIUS. Ha, feige Brut! Steigt auf. Da bin ich ein anderer Kerl. Jetzt kann das Rindfleisch teuer werden, ich bin versorgt. Hotto Schimmel! Das versteht er nicht. Bruaho! Der Stier fliegt ab. Jetzt gehts los.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 464-466.
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