Sechster Auftritt


[278] Gluthahn. Vorige.


GLUTHAHN. Wer schreit denn so, wie kommst denn du aufn Berg? Kriechst weiter um ein Haus!

ALZINDE. Wenn du ein Mensch bist, wie die Sprache michs vermuten läßt, so sage mir, wie heißt die Welt, in der du lebst?

GLUTHAHN. Weiter geh!

ALZINDE. Wenn du ein Mensch bist, nimm mich auf in deine Hütte. Die Sonne wird dich dafür lohnen.

GLUTHAHN. Aha, die brennet mich aus Dankbarkeit auf den Buckel hinauf. Du laßt mich aus mit deiner Sonn, die kenn ich nicht.

ALZINDE. Er kennt die Sonne nicht! Weh mir! Hab Mitleid,[278] Hunger führet mich an deine Hütte, speise mich mit etwas Reis.

GLUTHAHN erstaunt. Was willst du haben, einen Reis? Ein Bettelweib ein Reis! Sie schafft sich nur gleich an, was sie lieber ißt.

ALZINDE. Oh, reich mir nur ein kleines Stückchen Zucker.

GLUTHAHN lacht. Einen Zucker will sie. O du süßes Goscherl du! Wo hab ich denn gschwind was, ich gib ihr eine hinauf, daß einen Zucker macht, an den s' langmächtig schlecken hat.

ALZINDE. Hab Mitleid, ich verschmachte, gib mir stärkendes Gewürz.

GLUTHAHN. Jetzt halt ichs nimmer aus, jetzt will s' noch gar ein Gwürz. Ich komm in Narrenturm mitsamt den Weib. Ich hab kein Gwürz noch gsehn, solang ich auf der Welt noch bin. Die geht herum und bettelt um ein Gwürz.

ALZINDE. Du Unmensch, sprich, soll ich an deiner Schwelle sterben?

GLUTHAHN. Was unterstehst du dich, an meiner Tür willst du da sterben? A solche Unglegenheit, daß ich dich noch begraben lassen kunnt! Gehst hinunter überm Berg und schaust dich um ein Platzel um, wost hinwerden kannst.

ALZINDE. Bist du ein Mensch, hast du ein Herz in deinem Busen?

GLUTHAHN. Nein, nichts als einen Stock hab ich im Zimmer drin.

ALZINDE. Sonne, was erlebe ich!

GLUTHAHN. Schlag wirst gleich erleben, wann du nicht gehst.

ALZINDE stolz und kräftig. Ich befehl es dir, mich zu bewirten, ich bin Indiens Königin.

GLUTHAHN. Jetzt is heraußen, das Weib ist närrisch. Sie ist Indiens Königin! ich lach mir noch einen Buckel, größer als der ihrige. Wenn du jetzt nicht gleich von meiner Tür weggehst, so jag ich dich übern Berg hinunter, marsch! Er stößt sie von der Türe fort, sie sinkt ins Knie. du verzuckertes indianisches Bettlweib du! Schlagt die Tür zu.

ALZINDE allein mit kräftiger Verzweiflung. Weh mir! so bin ich[279] denn auf einem fremden Stern, ausgeschlossen aus der Sonne Strahlenreich. Nicht Menschen hausen hier, Dämonen sind es, Söldner jenes Drachensohns, der mich hieher verflucht. Hier darf kein Weihrauch duften, keine Palmen blühn, ein wüstes Grab ist diese Höllenflur. Seht, seht, wie kleine Furien mit gehörnten Köpfen über jene kahlen Felsen springen. Nie werd ich mehr mein Volk, meinen Gemahl erblicken. Verloren ist mein Leib, verloren meine Seele. Sinkt auf die Knie und ruft stark. O Sonne, rette mich! Echo: Rette mich. Umsonst! Sie hört mich nicht. Das Echo höhnt mich aus. Ihr Strahl dringt nicht auf dieses fluchbeladne Land. Welche Angst ergreifet mein Gemüt, von allem bin ich hier verlassen, und auch zu ihr kann ich nicht flehen. Entsetzliches Geschick! was ist der Mensch, dem man die Hoffnung auf das Höchste raubt? Mein Aug wird trüb, mir ist, als hätten diese Berge Licht und Farbe eingebüßt und flössen mit des Himmels schauerlichem Grau zusammen. Die Welt zerrinnt vor meinen Blicken, ich sehe nichts als jenen Strom, der konvulsivisch sich durch dieses Chaos windet und seine nassen Arme nach mir streckt. Hinweg von mir, du schrecklicher Gedanke, der mich ergreift und nach dem Strom hinzieht. Ich folg dir nicht! – umsonst, ich muß – Verzweiflung, freu dich deines Siegs, ich muß hinein. Sie eilt gegen den Strom, plötzlich bricht die Sonne aus den finstern Wolken herrlich strahlend hervor, beleuchtet die Gegend und spiegelt sich im Strom. Alzinde erblickt sie zuerst im Strome und fährt zurück. Ha, der Sonne Bild! Blickt empor, ihr ganzes Wesen löst sich in zitternde Freude auf. Sie ists, Steigend. sie ists, die – Mit zitternder Stimme. die Sonne! meine Sonne, meiner Seele höchster Trost! Sinkt auf ein Knie, dann springt sie freudig auf. Freude, Freude, sie ist hier! Ihr Wälder, Klippen, Bäume, Quellen, meinen Blicken neu geboren, grün gekleidet wie mein Hoffen, hört es, ich bin nicht verlassen, nicht verstoßen von der ewgen Sonne! oh, wie ist mir wieder leicht, wie hat ihr Strahl mein Innerstes gelichtet! Nun hab ich Mut zum Dulden, Mut zum Tragen.[280]


Muß ich fern von allen Lebensfreuden

Kämpfen auch mit Gram und Leiden,

Kann ichs doch der Sonne klagen,

Mit Bewußtsein zu ihr sagen:

Ich hab alle Freuden meiner Jugend

Jugend Aufgeopfert für den Ruhm der Tugend

Und erwarte meinen Lohn

Einst an deinem Himmelsthron.


Sie setzt sich auf einen Rasen und versinkt in Nachdenken.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 278-281.
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