Der Barde und der Minnesänger

[30] Wien im April. 1776.


Ihr Götter, helft! ein Waldgott, dünket mich,

Und Don Quixot' aus Mancha raufen sich.

Welch eine Scene! Lasst uns näher gehn! ...

Ey! hab' ich je was Tolleres gesehn,

So strafe Venus mich mit einem Kuss

Von Chloens welken Lippen! Bergelfuss,

Der Barde, balgt mit Niethard Effterkrum,

Dem Minnesänger, sich auf's Blut herum.

Ein alter Kranz von Eichenblättern laubt

Sich bardenhaft um Bergelfussens Haupt:

Sein schnurrend Instrument, die Harfe, hängt

Ihm auf dem Rücken: seinen Leib umfängt

Ein Bärenfell. Den süssen Niethard schmückt

Ein Panzer, dessen Glanz das Aug' entzückt:

Der bunte Schild, den seine Linke führt,[31]

Ist minniglich mit Hulda's Bild geziert,

Für die er lebt und webt. »O edles Paar!

»Was soll der Zwist? verschonet euer Haar

Und eure Fäuste!« »Kühner Fremdling! Wir

Entscheiden nach den Dichterrechten hier

Den Werth und Vorrang unsrer Lieder. Doch

Du kömmst uns, wie gerufen: weile noch!

Du sollst der Schiedsmann seyn.« Sie setzten ganz

Vertraulich nun, der Barde seinen Kranz,

Und seinen Schild der werthe Rittersmann,

Zum Wettpreis auf, und Bergelfuss begann:


Auf! reichet mir die Leichenruthe

Und Odins Schlachthemd von der Wand!

Mich lüstet's, ha! nach Armyrs Blute.

Den Tyr den Schiffweg hergesandt.


Hulda! dir nur bin ich pflichtig,

Keinem Fräulein sonder dir;

Wank und Trug verschwör' ich: züchtig

Traun! ist meine Kussbegier.
[32]

Kommt, Klingenröther, Flammenschwinger,

Zu Gonduls Hagel lad' ich euch:

Kommt, schickt den feigen Methverschlinger

Hinab nach Hela's Schlangenreich!


Deine preislichzarten Hände

Und dein Mündlein sind fast schön:

Wonnespenderinn! ohn' Ende

Wollt' ich dir in's Äuglein sehn.


Da soll in Naftronds Mördertiefen,

Wo Lok, der Göttertäuscher, heult,

Ihm Drachengift in's Antlitz triefen,

Bis Skoll einst Imers Licht ereilt.


Hey! wie wär's mir so behäglich,

Bötst du mir den Minnekuss!

Und wie ächzt mein Sang so kläglich,

Weil ich soldlos minnen muss!
[33]

»Genug, beym Herkules! genug für jetzt,

Sonst berst' ich vor Entzücken. So ergetzt

Mich oft das, Säuseln eines Sturmwinds nicht,

Als, Bergelfuss, dein göttliches Gedicht.

Wie wenn Megärens Schoosshund, Cerberus,

Den Husten hat (des weiten Erebus

Entfernteste Gewölbe schütteln sich,

Wenn er sich räuspert) so erschüttert mich

Ein jeder Ton von dir. Und Niethards Lied

Fliesst lieblich fort, wie man ein Bächlein sieht

Gar sanftiglich durch Wüsteneyen hin

Sich schleichen ... Allerliebst! Verzeiht, ich bin

Nicht kühn genug, den Urtheilsspruch zu thun.

Gehabt euch wohl, und lasst die Fäuste ruhn!«

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 30-34.
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