Der feste Vorsatz

[114] Wien im Weinmond 1782.


Gott Amor, der du unverhofft

Den Schwärmer Treue lehrest,

Und einen weisen Graubart oft

In einen Faun verkehrest!


Dich ehret man, o Cypripor!

In Hütten und in Hallen,

Und sieh! der Weise wie der Thor

Sind deiner Macht Vasallen.


Es küssen deinen Zepterstab

Der wildsten Völker Rotten

Vom kalten Lappen bis hinab

Zum braunen Hottentotten.
[115]

Dir huldigen in Hindostan

Die finsteren Braminen,

Dir muss der ernste Grosssultan,

So wie sein Sklave, dienen.


Man kennet deine Macht nicht nur

Bey ungeweihten Layen:

Man ehrt dich auch, trotz Eid und Schwur,

In Klöstern und Abteyen.


Zwar wähnen, durch Kasteyn gestärkt,

Die Bonzen dich zu zwingen,

Doch weiss man, dass sie unbemerkt

Dir manches Opfer bringen.


Du darfst nur winken, so befällt

Den klügsten Kopf der Schwindel,

Und Herkules, der stolze Held,

Erniedrigt sich zur Spindel.
[116]

Doch, Gott der Liebe! deine Macht

Mag auch noch weiter reichen,

Ich bin es müde, Tag und Nacht

An deinem Joch zu keichen.


Unzählbar, wie der Sand am Meer,

Unzählbar sind die Plagen,

Die ich in deinem Dienst bisher

Bey Tag und Nacht ertragen.


Zwangst du nicht nachts, wenn alles ruht,

Mich stundenweit zu laufen,

Und in des Mittags strenger Glut

Nach Athem oft zu schnaufen?


Und triebst du mich nicht hundertmal

Des losen Mädchens wegen,

Das mir Vernunft und Freyheit stahl,

Durch Sturmwind, Frost und Regen?
[117]

Sonst pries man als ein Muster mich:

Mein Ruf war ohne Makel,

Und ach! nun dien' ich rings durch dich

Dem Volke zum Spektakel.


Ich bin es satt, ein Thor zu seyn.

Du magst mit deinen Pfeilen

Und deinem bunten Köcherlein

Nun in das Rüsthaus eilen.


So rief ich auf. Da kam, o weh!

Mit frischen Rosenwangen

Und einem Busen, weiss wie Schnee,

Ein schönes Kind gegangen.


Dionen glich es an Gestalt.

Wie sollt' ich widerstehen?

Wie konnt' ich ungerührt und kalt

So viele Reitze sehen?
[118]

Es schlang den weichen sammtnen Arm

Mir lächelnd um den Nacken,

Und sieh! mein Blut ward brennendwarm,

Es glühten meine Backen.


Ich überliess mich taumelblind

Dem mächtigsten der Triebe,

Und fand, dass Ketten süsser sind,

Als Freyheit ohne Liebe.


Mag jeder, den diess Schwachheit däucht,

Mich auch der Thorheit zeihen;

Wenn jede Schwachheit dieser gleicht,

So soll mich keine reuen.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 114-119.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.

226 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon