König Arnulphs Hasenjagd

[36] Wien im Herbstmond 1778.


Im Jahr des Heiles, ungefähr

Achthundert Fünf und Neunzig,

Griff König Arnulph zum Gewehr:

Es folgt' ihm nur ein kleines Heer,

Doch an Bravur war's einzig.


Fern, sprach er, in der Römer Land

Ist Meuterey entstanden:

Auf, Kinder! lasst, in's Kriegsgewand

Gehüllt, uns mit bewehrter Hand,

Walt's Gott! den Unfug ahnden!


Diess Aufgebot war Gross und Klein

Gar lieblich zu vernehmen.

Dortorts, rief man, wächst süsser Wein:

Kommt, lasst uns guter Dinge seyn!

Den wollen wir schon zähmen.
[37]

Nun fördert Arnulph sich, zu ziehn

Wohl gegen Wälschlands Gränzen.

Schon kömmt er bis nach Florenz hin,

Und allerwärts empfängt man ihn

Mit tausend Reverenzen.


Nur bey den stolzen Römern war

Ihm Thür' und Thor verriegelt.

Sie aufzubieten, sandt' er zwar

Zween Boten: doch das gute Paar

Ward schimpflich fortgeprügelt.


Erbosst rief Arnulph: »Habt ihr so

Das Völkerrecht in Ehren?

Ihr Lotterbuben! lichterloh

Soll eure Stadt mir flammen! ... O!

Ich will euch Mores lehren.
[38]

Auf, Brüder! zähmet das Geschmeiss!

Lasst uns die Stadt berennen!«

Potz Blitz! nun ward den Römern heiss:

Der Stadtrath sprang, als ob der Steiss

Schon anfieng' ihm zu brennen.


Für diessmal galt wohl auch fürwahr

Kein Zaudern und Besinnen;

Denn sieh! der Deutschen wilde Schaar

Sucht schon, trotz jeglicher Gefahr

Die Wälle zu gewinnen.


Wohl sieben Stunden kämpfte man

So derb von beyden Seiten,

Dass ringsum Blut wie Wasser rann,

Bis allgemach die Nacht begann

Den Schleyer auszubreiten.
[39]

Genöthigt wendeten nunmehr

Die Deutschen die Standarten,

Und Arnulph, sinnend hin und her,

Beschloss, ein glücklich Ungefähr

Im Lager abzuwarten.


Rom, das den Feind schon für verzagt

Und muthlos hielt, verlachte

Des Königs Heer, bis eine Jagd

Urplötzlich, wie die Chronik sagt,

Dem Spott ein Ende machte.


Ein Rammler aus dem nahen Hain

Sprang schüchtern vor den Wällen

Der Stadt umher, und hinterdrein

Ein Spürhund und mit derbem Schreyn

Ein Schwarm von Weidgesellen.
[40]

Halb Rom, vom heftigen Rumor

Der Jagenden betroffen,

Lief, ohne Hut und Roquelaur,

Ripsraps beym Tempel aus, und Thor

Und Angel blieben offen.


Der König sah am Horst hinab

Der Flüchtigen Gedränge,

Halt! rief er, lasst vom Hasen ab!

Was soll euch Einer? dort bergab,

Dort kriegt ihr eine Menge.


Nun gieng's aus einem andern Ton.

Seht! spornstreichs galoppiren

Die Jäger nach: doch ferne schon

Hört man die Memmen um Pardon

Und Gnade lamentiren.
[41]

Bewegt ward Arnulph, frank und frey

Sie alle heimzuschicken:

Doch liess er, Rom zu Schimpf und Scheu,

Von Fünfzigen je Zwey und Zwey

Mit Hasenschwänzen schmücken,


Wenn solche Ordenszeichen heut

Zu Tag noch Sitte wären,

So würd' auch wohl zu unsrer Zeit

Manch liebes Söhnchen aus dem Streit

Damit nach Hause kehren.


Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 36-42.
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