Parodie

[265] von Horazens neunzehnter Ode im zweyten Buch.


Augsburg im Heumond 1786.


Ich sah (ihr Enkel, ohne Scherz!)

Heut nachts im Traum den Eifrer Merz

Den Predigtstuhl besteigen,

Sah Küchennymphen, halb zerdrückt

Von Handwerksjungen, unverrückt

Ihr Ohr zur Kanzel neigen.


Potz Blitz! wie weidlich klopfte nicht

Der wackre Kämpfer das Gezücht

Der Ketzer auf die Finger!

Mir gellen, traun! die Ohren noch:

»Ach, schone, rief ich, schone doch,

Du tapfrer Schnupftuchschwinger!
[266]

Ich will ja glauben, dass die Hand

Des Papstes zum gelobten Land,

Wo Milch und Honig fliessen,

Den Schlüssel hat, um allen Herrn

Sektirern und Schismatikern

Das Pförtchen zu verschliessen;


Will glauben, dass du bibelfest

Der Protestanten Drachennest

Schon halb, wie Spreu, zerstäubtest,

Und manchen armen Pastor schon

Durch deiner Stimme Donnerton

Auf immer übertäubtest.


Du bändigst, grosser Thaumaturg!

Halb Augsburg, Ulm und Regensburg,

Ja fast das ganze Schwaben,

Und keiner von der Ketzerbrut

Vermag mit aller seiner Wuth

Dir je was anzuhaben.
[267]

Du hautest Luthern, welcher sich

Den Vatikan so freventlich

Zu stürmen unterstanden,

Und seiner Jünger Riesenschwarm

Mit deinem orthodoxen Arm

Totaliter zu Schanden.


Zwar wähnt das böse Lutherthum,

Es stünd' um unsrer Kirche Ruhm

Weit besser, wenn du schwiegest:

Allein wer kann in Deutschland nun

Den Ketzern allen Einhalt thun,

Wenn du sie nicht bekriegest?


Dich würde selbst, wenn du den Mund

Nur öffnetest, der Höllenhund

Nicht wagen anzublecken,

Und, wedelnd mit dem krausen Schwanz,

Die Zehn, o schrecklicher Popanz

Der Ketzer! sanft dir lecken.«

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 265-268.
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