Eilfter Auftritt.

[184] Ritter, Sophie und Löwenklau.


RITTER. Sieh, welch ein Fang, Löwenklau.

SOPHIE. Barmherziger Gott! Sie will sich loßreißen, Ritter hält sie fest.

LÖWENKLAU.

Ja, Löwenklau! Und bin ich Löwenklau,

Warum das Rehkalb nun in Deiner Klau',

Da es gehört doch in des Löwenklau?


Er nähert sich Sophien; sie fällt auf die Knie.


SOPHIE. Ach, gnädiger Herr, sein Sie barmherzig, und schonen Sie meines jungen Lebens. Ich bin nur das Kammermädchen.

LÖWENKLAU. Bist du Nerissa, oder Jessica?

SOPHIE. Nein, gnädiger Herr

LÖWENKLAU.

Olivia's Mädchen denn in »Was Ihr wollt?«

Die dem Malvolio list'ge Briefe schreibt?

SOPHIE. Nein, um Gottes willen! Ich lasse mich auf das Schreiben nicht ein.[185]

LÖWENKLAU. Die Amme denn von Julia Capulet?

SOPHIE. Nein, gnädiger Herr, ich bin noch nie Amme gewesen.

LÖWENKLAU.

Ha, Spuk! so bist Du nichts: und soll ein Nichts

Im Leben sein, wo alles etwas sein soll?

Was Du, Du Nichts, an Licht und Luft verbrauchst,

Das stiehlst Du einem Etwas, räub'risch Nichts!

Drum ist es Schmach, wo man Dein Leben schont.

SOPHIE weinend. Ach gnädiger Herr, erbarmen Sie sich mein. Was habe ich denn verbrochen? Kann ich dafür, daß die gnädige Frau das Trauerspiel so schlecht behandelt hat?

LÖWENKLAU.

Hat schlecht behandelt sie das Trauerspiel,

Will traurig ich mit ihrer Schlechtheit spielen.

Ha, diese stachlichte Kastanie


Er hebt eine Kastanie auf.


soll

Die falsche Goneril hinunter schlingen,

Daß an den Stacheln, ihrer Läst'rung Bild,

Sie mir erstick'. Ich wüthe gegen sie,

Wie gegen Desdemona ras't der Mohr;[186]

Und wenn aus Lieb zu seiner bösen Frau

Den frommen König Duncan Macbeth schlug,

So schlag' ich sie, die böse Goneril,

Aus Liebe zu dem frommen Dichter William.

Enthebe Dich! verkünd' es Deiner Frau,

Und sag': der also spricht, ist Löwenklau.


Er wendet sich von Sophien ab; sie etflieht.


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 184-187.
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