Erster Akt.

[3] Großer Schloßhof in Siegfrieds Burg.


CHOR.

Erhebet Herz und Hände

Voll Andacht himmelan

Zu Ihm, deß' Macht ohn' Ende,

Dem All' wir unterthan!

Sein Reich es soll besteh'n

In aller Ewigkeit,

Für ihn zum Tod zu geh'n,

Sind allzeit wir bereit!

Was sollt' uns bringen Schaden,

Will er nur mit uns sein,

Er ist der Quell der Gnaden,

Das Heil bei ihm allein.

HIDULFUS.

Zu einem gottgefäll'gen Kampfe

Rüstet Ihr Euch!

Es gilt dem Erzfeind unsers Glaubens,

Abdorrhaman, der aus Spanien in

Das Frankreich hereingebrochen!

CHOR.

Verderben ihm!

HIDULFUS.

Von seinen Gräueln empört,

Erhebt sich der gewalt'ge Karl Martell,

Und ruft die Tapfern dieses Landes auf,

Den Frechen mit dem Schwert zu strafen –

CHOR.

Heil Karl Martell![3]

HIDULFUS.

In seinem Namen fordr' auch ich euch auf,

Bewaffne jeder sich, der Kraft

Ein Schwert zu tragen in sich fühlt,

Dem edlen Pfalzgraf Siegfried,

Dem Karl des Krieges Führung anvertraut,

Zum heil'gen Zug sich anzuschließen,

Zu schützen Christi Kreuz!

CHOR.

Wir sind bereit!

HIDULFUS UND CHOR.

So streite denn, du tapfre Schaar,

Der Christenheit zu Ruhm und Ehr';

Der Engel Heer fleuch' vor dir her,

Der Herr sei mit dir immerdar!


Sein Reich es soll besteh'n

In aller Ewigkeit,

Für ihn zum Tod zu geh'n

Sind allzeit wir bereit!


Was sollt' uns bringen Schaden,

Will er nur mit uns sein,

Er ist der Quell der Gnaden,

Das Heil bei ihm allein!

GOLO.

Könnt' ich mit ihnen! Weiht' auch mich

Des heil'gen Mannes Segensspruch!

Wer doch wie sie

In blut'ger Feldschlacht könnte werben

Um Ruhm, – den Tod der Ehre sterben!

Ein Anderes ist mir beschieden –

Ruh' – Still-sein! – – Wär' es auch der Frieden!


Frieden, zieh' in meine Brust,

Sänftige das tiefe Leid,

Der Gefühle grimmen Streit, –

Frieden, zieh' in meine Brust!
[4]

Trüb' will Alles mir erscheinen,

Wie die Sonn' auch golden scheint –

Könnt' ich klagen, könnt' ich weinen,

Thränen, wie ich sonst geweint!


Wie anders mein Sinnen

In früheren Tagen!

Da trieb's mich hinaus

Zu Kampf und Strauß!

Kein Roß mir zu wild,

Keine Kluft mir zu breit,

Zu eng das Gefild,

Kein Ziel mir zu weit!

Und kehrt' ich dann heim

Zu fröhlicher Rast,

Wie klang da beim Schalle

Der Zither mein Lied,

Vom Lobe des Sängers

Ertönte die Halle.

Wie zollten sie alle

Dem fröhlichen Sang

So minniglich Dank,

Und feuriger schwang

Beim gastlichen Mahl

Zum vollen Pokal

Empor sich der Sang! – –

Das war in früheren Tagen, –

Und jetzt! –


Frieden, zieh in meine Brust etc. etc.


Siegfried, Siegfried –

Du ein zweiter Vater mir, dem

Ich alles danke,

Was thust du mir!

Zum Hüter deines Weibes hast

Du mich bestellt! –

Und ich, ein Mensch,

Soll diesen Himmel wahren! –[5]

Ich seh' sie nahen, – könnt' ich flüchten,

Verbergen mich, wohin kein Strahl der Sonne dringt!

Siegfried, Genoveva, Drago, Balthasar, Caspar, Dienerschaft.


SIEGFRIED.

So wenig Monden erst, daß ich Dich fand, –

Und schon entreißt Dich mir ein streng Geschick.

GENOVEVA.

Ob auch getrennt, uns eint ein heilig Band,

In fernste Ferne reicht der Liebe Blick.

SIEGFRIED.

Du bist ein deutsches Weib, so klage nicht –

Sollt' ich ertragen unsers Glaubens Schmach?

GENOVEVA.

Wärst du kein Held, Du wärest Siegfried nicht

Und keine Klagen sendet' ich Dir nach.

SIEGFRIED.

Der Trübsal Nacht folgt einst ein Freudentag.

GENOVEVA.

Wo Du auch weilst, Dir folgt die Liebe nach.

SIEGFRIED.

O herrlich Streiten, für die Christenheit,

Des Krieges Banner glorreich zu erheben!

GENOVEVA.

Der Dich mir gab, er sehe mich bereit,

Auf sein Gebot mein Liebstes hinzugeben.

SIEGFRIED.

Du liebend Weib –

GENOVEVA.

Geliebter Mann –

BEIDE.

Beglückt' wem solch' ein Held / Weib gegeben!

SIEGFRIED.

Dies gilt uns! –[6]

Zu Euch noch

Wen'ge Worte! Drago,

Treu hast du dich stets bewährt,

Deiner Pflege sei vertraut

Mein Gesinde, halt' es wohl!

DRAGO.

Wie Ihr sagt, so wird's gethan.

SIEGFRIED.

Einer fehlt noch – Golo –

Du der Nächste meinem Hause

Stehst so fern?

GENOVEVA.

Wie bleich er sieht –

DRAGO.

Wie verstört –

GENOVEVA.

Es schmerzt der Abschied

Ihn vor allen –

SIEGFRIED.

Möchtest gern wohl

Mit mir in den Krieg?

GOLO.

Ihr sagt's!

SIEGFRIED.

Besser dienst Du hier mir. – Sieh,

Nur dem Besten möcht' ich meiner

Güter Bestes anvertrau'n –

Der bist Du! –

Meines Weibes nimm Dich an,

Wo sie Mannes Schutz bedarf –

Und Ihr, seht in Golo hier

Euern unumschränkten Herrn,

Dienet ihm, als wär' ich's selbst![7]

GOLO.

Einen Würd'gern wohl als mich

Möcht' ich, daß Ihr fändet –

GENOVEVA.

Gern

Nehm' ich Euch zum Ritter an –

GOLO.

Edle Gräfin, viel zu gut

Denkt Ihr von mir. –

SIEGFRIED.

Spart die Worte,

Kostbar ist die Zeit; der Ruf

Der Trompete sagt's.

Auf! führt mein Schlachtroß vor!

CHOR.

1.


Auf, auf in das Feld!

Graf Siegfried der Held,

Er führet das Heer,

Er führt es zur Ehr'.


Fein's Liebchen ein Kuß!

Geschieden sein muß!

Mit uns ist das Glück,

Bald kehren wir zurück!

2.


Karl Martell, Karl Martell, tapferer Hammer,

Allem Heidenvolk zum Jammer!

Der Feind der soll der Ambos sein,

Da schlagen wir wacker drauf und drein!

Wie klingt der Hammer so stark und hell!

Karl Martell, Karl Martell![8]

GENOVEVA.

Leb' wohl –

SIEGFRIED.

Leb' wohl –

GENOVEVA.

Auf Wiederseh'n!

SIEGFRIED.

Auf Wiederseh'n!

GOLO.

O wie sie küßt!

Herr, das Roß sieht bereit!

GENOVEVA.

O könnt' ich mit dir! –

SIEGFRIED.

Getrost und fasse dich!

GENOVEVA.

Leb wohl!

GOLO.

Der rauhe Kriegsmann! – Auf das Schwert

Versteht er sich, auf Stoß und Hieb, –

Auf Liebe nicht! Er hat ihr's angethan!

Stirbt sie, ich will nicht knirschen! doch, sie seufzt!

Das holde Leben kehrt zurück,

Und auf die Lippen tritt das erste Roth!

O Lippen, süße Lippen! Wer euch küßt,

Der stiehlt sich hier die ew'ge Seligkeit,

Denn nie verglüht ein solcher Kuß! – –

Ich könnt' es thun, ich bin allein –

Die heil'gen Augen steh'n

Noch nicht wie Cherubim

Abwehrend vor dem Paradies –

Ich will, ich muß sie küssen – –

GENOVEVA.

Mein Siegfried!

Wer bist Du?

GOLO.

Euer treuster Knecht!

GENOVEVA.

Erlaubt, daß ich mich stütze!

Mir schwindelt! –[9]

MARGARETHA.

Sieh da – welch' feiner Rittersmann!

Man sieht ihn nur mit Freuden an!

Der Federhut, der Degen steht ihm gut,

Auch hat er Muth!

Und wie zum Kuß er sich herunterbog,

Welch' Flammengluth die Wang' ihm überzog!

Die Frau allein, der Graf beim Heer –

Da fällt's dem hübschen Burschen ja nicht schwer!

Ich hab' kein' Rast, ich hab' keine Ruh,

Ein wenig Groll kömmt auch dazu!

Daß aus dem Haus du mich gehetzt,

Herr Graf, das vergelt' ich dir jetzt!

Still, er kömmt!

GOLO.

Was hast du gethan

In frevelndem Wahn –

Du hast geküßt

Deines Herren Weib, –

Du hieltst umschlungen

Den edlen Leib, –

Du hast gebrochen

Dein Ritterwort – –

Elender, fort

Soweit dich deine Füße tragen!

MARGARETHA.

Golo!

GOLO.

Hinweg!

MARGARETHA.

Mein Sohn wohin?

Kein Wort für Deine Amme, die so lang

Dich nicht geseh'n?

GOLO.

Du Margaretha hier?

MARGARETHA.

Unfreundlich stießest einstens Du mich fort, –

Ich blieb Dir gut –[10]

GOLO.

Ich aber hasse Dich, seit bösem Wandel

Und schwarzen Künsten Du dich ergeben,

Die ich verabscheu' –

Dies ist der Tugend Haus!

MARGARETHA.

Der Tugend Haus? –

Ach – hofft' ich doch nach langem Wandern hier

Zum Ausruh'n eine Streu zu finden – doch,

Was ich erblickt in diesem Haus der Tugend – –

Fürwahr, ein schönes Weib des Küssens werth. –

GOLO.

Du hast gesehen?! – stirb! –

MARGARETHA.

Stoß' zu – 's ist ja die Amme nur,

Die Mutter nicht, die Du durchbohrst –

Geh' Golo – Du bist krank –

GOLO.

Ja – krank zum Sterben –

MARGARETHA.

Vertrau' Dich mir –

ich weiß den Arzt –

GOLO.

Weib, Hexe, fort! Du, dieses Haus,

Die ganze Welt ist mir verhaßt,

Kaum, daß ich trage noch des Lebens Jammerlast, –

Ich will dahin geh'n, wo kein Aug'

Mich wieder finden soll.

MARGARETHA.

Du läßt die arme Frau allein –

Sie wird ohn' Dich gar traurig sein,

Am Leben müßte sie verzagen,

Sie will Dir wohl, wie die Leute sagen.

GOLO.

Was sprichst Du da? wer that Dir's kund?

MARGARETHA.

Nun, drück' mir nur den Arm nicht wund –

Dergleichen fällt nicht schwer zu sehn. –[11]

GOLO.

Du lügst, – Du kennst sie nicht die Reine –

MARGARETHA.

Und sieh, wie schön sich alles trifft!

Der Graf im Krieg, Du heimgeblieben –

Vielleicht, daß er im Kampfe fällt,

Er Dich zum Erben gar bestellt!

Oft fügt sich's seltsam in der Welt –

Kommt Berg und Thal doch wohl zusammen,

Um wie viel leichter zween Flammen –

Glück auf denn, Glück auf!

GOLO.

Brichst auf Du schon?

MARGARETHA.

Muß fort – nach Straßburg –

GOLO.

Sag' an, was thätest Du an meiner Stelle?

MARGARETHA.

Es dringt ihm in's Herz –

Wär' ein junger Herr ich

Mit Augen wie Ihr, ich hielt'

An meiner Hoffnung fest und wär'

Ich in die Königin verliebt.

GOLO.

O dürft' ich hoffen, Margaretha,

Ich wollt' es königlich Dir lohnen!

Bleib hier im Schloß, sieh mit eignen Augen!

MARGARETHA.

Mehr braucht's nicht

Als ich bereits geseh'n!

GOLO.

Nur wen'ge Tage

Laß Dir's gefallen!

MARGARETHA.

Wollt durchaus Ihr!

GOLO.

Du bleibst?[12]

MARGARETHA.

Vielleicht –

GOLO.

Und willst

Mir beisteh'n?

MARGARETHA.

Wie ich's kann –

GOLO.

Gieb mir

Die Hand d'rauf!

MARGARETHA.

Hier!

GOLO.

Und schwörst

Mir beizusteh'n? –

MARGARETHA.

Ich schwör's! –

GOLO.

Mit neuem Leben

Erfüllst Du mich wieder,

Gehst Du voran,

Glücket der Plan.

Mein muß sie werden.

Und stiegen Engel

Nieder zur Erden

Und schützten sie, –

Mein muß sie werden –

Jetzt oder nie! –

MARGARETHA für sich.

Was ich gewollt,

Mir ist's geglückt –

Ich hab' ihn umgarnt,

Ich halt' ihn umstrickt –


Laut.


Dein soll sie werden,

Dein muß sie werden,

Jetzt oder nie! –[13]

Quelle:
Robert Schumann: Genoveva. Berlin [1960], S. 3-14.
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