Scena V

[87] Schnürtzchen zu den Vorigen.


SCHNÜRTZCHEN. Sage doch, Lorentz, wo dich der Henker so lange hat. Die Frau ist bald gestorben, sie liegt todkrank und wartet mit großem Verlangen auf des Doktors Hülfe.

LORENTZ. Ich bin ja nicht schuld dran, daß ich nicht flugs bin wiedergekommen. Der Herr Doktor da ist schuld dran, daß er mich nicht eher abgefertigt hat.

SCHNÜRTZCHEN. Ist das der Herr Doktor?

LORENTZ. Freilich ist er's, frage ihn nur selber.

SCHNÜRTZCHEN. Er verzeihe mir, mein Herr Doktor, will Er sich nicht einen Gang zu meiner Frau bemühen; sie liegt auf den Tod krank.[87]

CRATIPPO. Wie ich aber aus dem Wasser spekuliert habe, so fehlet dem Patienten gar nichts.

SCHNÜRTZCHEN. Ei, das glaube ich gar wohl, da ist dieses Bürschchen schuld dran.

CRATIPPO. Wieso?

SCHNÜRTZCHEN. Der Vogel hat das Glas mit dem rechten Wasser auf der Gasse zerbrochen. Was er aber dem Herrn Doktor vor welches gezeiget, wird er am besten wissen.

CRATIPPO. Ja, das ist eine andere Sache. Freund, von wem habt Ihr dieses Wasser, welches Ihr mir zu besehen brachtet?

LORENTZ. Von mir selber.

CRATIPPO. Warum habt Ihr mir's aber nicht gesagt, daß solches der Patientin ihrs nicht sei?

LORENTZ. Ich vermeinte, Ihr sollet aus meinem können wahrsagen, was meiner Frauen ihre Krankheit wäre. Deswegen seid Ihr ja ein Doktor.

CRATIPPO. Wenn ich der Doktor wäre, welcher aus Eurem oder aus eines andern Menschen seinem Urin judizieren könnte, was der Tertius der Secundus vor eine Krankheit hätte, so wäre ich ein kluger Mann: allein so muß der Doktor noch geboren werden, der diese Wissenschaft erstlich erlernen soll.

LORENTZ. Ja, das habe ich nicht gewußt, aber sage mir doch, Schnürtzchen, wer das Ding nur flugs muß wiedergesaget haben, daß ich das Glas mit dem Wasser habe lassen in den Dreck fallen?

SCHNÜRTZCHEN. Kannst du auch wohl raten?

LORENTZ. Was will ich's raten können, da es keine lebendige Seele nicht gesehen hat, wie ich's zubrochen habe.

SCHNÜRTZCHEN. Vor was bist du gelaufen auf der Gasse?

LORENTZ. Ach, du Herzenkind, höre nur, wie mir's ging. Es pste mir jemand aus einem Winkel und wie ich mich umsähe, so stund ein schleierweißer Geist an einer Ecke. Da fing ich an: »Alle gute Geister.« Und lief spornstreichs davon.[88]

SCHNÜRTZCHEN. Derselbe Geist hat mich auch betöret, allein weißt du denn, wer's gewesen ist? Es ist kein Geist gewesen.

LORENTZ. Was wäre es aber sonst gewesen?

SCHNÜRTZCHEN. Es ist unser Schelmuffsky gewesen.

LORENTZ. Ei, ich dachte, was mir sonst wäre; wo käme denn derselbe im weißen Hemde daher?

SCHNÜRTZCHEN. Es ist gewißlich wahr, er ist wiedergekommen; die Soldaten haben ihn nicht weit von hier bis aufs Hemde ausgezogen und alles miteinander genommen. Der hat's eben gesagt, daß du das Glas zerbrochen hättest.

LORENTZ. Ei, was du sagest, ist er ausgezogen worden? So geht's, wenn man den Eltern nicht folgen will, daß man weder Stern noch Glücke hat. Was spricht aber die Mutter?

SCHNÜRTZCHEN. Was soll sie sprechen? Sie ist froh, daß sie ihn hat wieder zu sehen bekommen.

LORENTZ. Hat er nicht schon brav aufgeschnitten wieder, was er unterwegens gesehen hat?

SCHNÜRTZCHEN. Was sollte er denn aufgeschnitten haben? Ist er doch kaum zwei Stunden weg gewesen.

CRATIPPO. Ja. Mädchen, wenn ich soll mit Euch hingehen und Eure Frau besuchen, so müsset Ihr bald machen, denn ich habe sonsten noch mehr Patienten abzuwarten.

SCHNÜRTZCHEN. Ganz wohl, der Herr Doktor beliebe mir nur zu folgen, ich will Ihm den Weg weisen, wo sie liegt.

CRATIPPO. Ganz gerne. Cratippo und Schnürtzchen gehen ab.

LORENTZ. Nun sind wir doch alle fein wieder zu Hause; das ist artig, so fressen wir doch fein miteinander. Wir sind artige Kinder mit unserm Reisen, schade ist's, daß wir die Tour à la mode nicht längstens angestellt haben, so hätte sie Schelmuffsky können mit zu seiner gefährlichen Reisebeschreibung ...


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 87-89.
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