Achter Auftritt

[255] Mummelmärten, Marode, Sylvester und die Vorigen.


MUMMELMÄRTEN. Ihro Gnaden, da bring ich die Kerl.

EHRENFRIED. Seid ihr Jäger?

MARODE U. SYLVESTER. Ja, Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden.

EHRENFRIED. Wo seid ihr beide her?

MARODE. Ich bin von Wespenhausen, und mein Kamerad da ist von Hasendorf gebürtig. Es liegen beide Dörfer eine halbe Meile voneinander.

EHRENFRIED. Seid ihr sonst schon in Diensten gewesen?

MARODE. Wir sind alle beide sechs ganzer Jahr bei Graf Narrburgen (wenn Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden denselben gekannt haben) in Diensten gewesen. Wie er aber vor wenig Wochen starb, so wurden alle seine Bediente abgedankt.

EHRENFRIED. Ist der Graf von Narrburg tot?

SYLVESTER. Ja, Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden, begraben ist er.

MARODE. Haben Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden den Herrn Grafen von Narrburg gekennet?

EHRENFRIED. Per renomée ist er mir bekannt gewesen, und wo mir recht ist, so sind gar viel Ge schlechter, die sich von Narrburg schreiben.

MARODE. Ach ja, er hat eine große Freundschaft hinter sich gelassen.

EHRENFRIED. Nun, weil ihr bei einen so braven Herrn in Diensten gewesen seid, der auch auf wackere Leute viel gehalten hat, und ihr beide von meinen Herrn Kapitänleutenant da sehr wohl seid rekommendieret worden, so will ich euch in meine Dienste nehmen.

MARODE UND SYLVESTER. Wir bedanken uns für die Hochgräfl. Gnade.

EHRENFRIED. Ich verhoffe auch, ihr werdet die Jägerei so gut verstehen als andere brave Jägerbursche.[256]

MARODE. Ja, Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden, so gut als ein Jäger, er mag auch sein, wer er will.

SYLVESTER. Und was das Schießen anbelangt, so soll mich wohl keiner darinnen leichtlich verraten, zumal wenn fein viel Rebhühner beieinander sitzen und die Büchse versagt mir nicht.

MARODE. Und was das Hasenschießen anbelanget, so soll auch wohl leichtlich keiner über mir sein, wenn ich nur allemal gut Zündkraut auf der Pfanne habe.

EHRENFRIED. An guten Pulver und tüchtigen Schrote soll es euch leichtlich nicht fehlen, zumal was die Hasenschrot anbelanget. Nur befleißiget euch auf gute Büchsen.

SYLVESTER. Ei, meine Büchse soll mir leichtlich nichts verfehlen, wenn ich nur recht darauf ziele, wo ich hinschießen will.

MARODE. Und mit meiner Büchse hier, da will ich wohl mit keinen Jäger seiner tauschen, denn es ist Damaszener-Gemächte und ist vortrefflich auf die Hasen eingeschossen.

FORTUNATUS. Ei, Ihro Exzellenz, Sie lassen sich doch das Ding erzählen. Dieser hier spricht: Er hatte mit seiner Büchse einmal siebzehn Rebhühner auf einer Weide weggeschossen, und der da drei Hasen auf einer Eiche. Das Ding will mir gar nicht in meinen Kopf.

EHRENFRIED. Ja warum nicht, mein Herr Kapitänleutenant? Was ein guter Jäger ist, der muß alles schießen können. Es mag auch sein, wo es will.

FORTUNATUS. Das ist alle wahr, Ihro Exzellenz, alleine siebenzehn Rebhühner von einer Weide zu schießen und drei Hasen auf einen Schuß von einer Eiche, das ist ein bißchen zu viel.

EHRENFRIED. Ei, Herr Kapitänleutenant, das ist eine Schraube.

SYLVESTER. Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden verzeihen mir, daß ich Sie in das Wort falle und sage: Ja, ich habe siebzehn Rebhühner auf einen Schuß von einer Weide geschossen. Allein der Herr Kapitänleutenant hat mich[257] nicht recht verstanden, denn sie saßen auf einer Weide, wo man das Vieh weidet, aber auf keinem Baume nicht, die man Weide nennet.

FORTUNATUS. Ei ja, das ist ein anders. Aber wie kann denn dieses möglich sein, daß ihr drei Hasen von einer Eiche geschossen habt, da man doch sein Lebetage nicht gehöret, daß ein Hase auf einem Baume gesessen? Ich denke immer, Jäger, es werden drei Eichhörner gewesen sein.

MARODE. Ei, Herr Kapitänleutenant, lernet Ihr mich doch Hasen kennen! Wollte ich doch wohl Euch oder den Herrn Grafen gekennet haben, wenn Ihr dazumal droben gesessen und wenn die Eiche auch gleich noch einmal so lang gewesen wäre.

EHRENFRIED. Ich habe in meiner Grafschaft zwar viel tausend Millionen Eichen und andere Bäume, doch wüßte ich mich selbst nicht zu erinnern, daß ich jemals einen Hasen auf einem Baume sitzen gesehen.

MARODE. Ja, Ihro Exzellenz, mein Kamerad da hat hinter mir gestanden, wie ich schoß, der kann's nicht anders sagen. Und wenn mir damals die Büchse nicht so langsam wäre losgegangen, so bin ich kein ehrlicher Kerl, wenn ich nicht auch noch ein paar Füchse mit treffen wollen, denn die spielten mit den Hasen auf der Eiche. Sobald sie aber das Feuer sahen, marschierten sie fort, die drei Häschen aber mußten Haare lassen.

EHRENFRIED. Ei, das ist eine erschröckliche Schraube!

MARODE. Nein, Ihro Exzellenz und Hochgräfliche Gnaden, es ist keine Vexiererei.

EHRENFRIED. Wie kann aber das möglich sein?

MARODE. Sie müssen mich recht verstehen, Ihro Exzellenz und Hochgräfliche Gnaden.

EHRENFRIED. Wie aber?

MARODE. Die Eiche war umgehackt und lag im Busche.

EHRENFRIED. Ei ja, das ist ein anders.

FORTUNATUS. Ja so, wenn sie gelegen hat, so kann das[258] wohl möglich sein, allein es ist doch viel, drei Hasen auf einmal zu schießen.

MARODE. Je, warum hießen wir denn Schützen oder Jäger, wenn wir so viel nicht gelernet hätten?

EHRENFRIED. Ich habe einen alten Jäger, der hat wohl zeitlebens nicht drei Hasen überall geschossen.

MARODE. Ja, Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden, vielleicht weiß er den Vortel nicht recht oder ist etwan von sehr blöden Gesichte.

EHRENFRIED. Er gibt's immer dem Gesichte schuld, und ich glaube auch, daß es wahr ist, denn daran kann ich's merken: Er brachte mir neulich einen jungen Esel aus meiner Grafschaft geschleppt, welchen er vor ein Reh geschossen hatte. Gestern habe ich ihn nun wieder hingeschickt, wer weiß, was er jetzund vor rar Wildbret mitbringt.

MARODE. Ja, Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden, wenn ein Jäger kein gut Gesichte hat, so gibt er keinen gewissen Schützen ab, zumal was das Hasenschießen anbelangt.

SYLVESTER. Ei, das Rebhühnerschießen ist noch künstlicher, denn sobald sie nur das Pulver riechen, marschieren sie fort.

MARODE. Ei, ein Hase wartet auch nicht lange, zumal wenn er öfters aus dem Lager gejaget wird.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 255-259.
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