Neunter Auftritt

[259] Hasenius und die Vorigen.


HASENIUS hat einen Befehl in der Hand. Ihro Exzellenz und Hochgräfliche Gnaden, hier ist der Befehl wegen des Hasenschießens. Geruhen Sie denselben zu unterschreiben?

EHRENFRIED. Leset mir doch denselben her, damit ich höre, ob er recht ist.

HASENIUS machet den Befehl auf, lieset ihn folgendermaßen.[259] Ehrenfeste, liebe Getreue. Wenn ihr alle noch frisch und gesund seid, höre ich's teils gerne und auch teils nicht gerne. Gerne höre ich's, daß ihr eure Frondienste noch alle tut und verrichten könnet. Denn wenn ihr krank wäret, so müßte es wohl unterwegens bleiben. Teils höre ich's auch nicht gerne, daß ihr alle noch wohlauf seid und mir aus meinem Gehege so viel Hasen wegschießet; denn wenn ihr an einem hitzigen Fieber läget, so ließet ihr solches wohl bleiben. Derowegen habe ich nicht unterlassen können, dieses Mandat an euch ergehen zu lassen, und gebiete euch bei meiner höchsten Ungnade, daß sich hinfort keiner mehr von euch unterstehe, mein Gehege zu turbieren, oder woferne ich nur das Allergeringste erfahre, daß einer nur nach einen Hasen geschossen hat, und wenn er ihn auch gleich nicht einmal getroffen, so hat mein alter Klaus, der großbärtige Jäger, schon Ordre bei sich, daß er alle diejenigen, so wider diesen Befehl handeln, soll ohne einziges Einwenden in den Bock spannen und so lange karbatschen, bis sie sprechen, sie wollen's nicht mehr tun. Wornach ihr euch zu achten. Gott befohlen.

HASENIUS. Haben Ihro Exzellenz hierbei noch etwas zu erinnern?

EHRENFRIED. Der Befehl ist sehr gut, gebt her, ich will ihn unterschreiben. Ist keine Feder da?

HASENIUS. Ihro Gnaden, hier ist eine. Gibt dem Grafen eine Feder.

EHRENFRIED setzt sich an den Tisch in sein Audienzgemach, unterschreibet den Befehl, und als er fertig, steht er wieder auf und spricht. Da gehet, Sekretär, und siegelt ihn nun.

HASENIUS. Geruhen Ihro Exzellenz mir Ihr Petschaft zu geben?

EHRENFRIED. Herr Kapitänleutenant, wo ist denn mein Petschaft?

FORTUNATUS heimlich. Ihro Exzellenz, es stehet mit versetzt.[260]

EHRENFRIED. Habt Ihr derweile keins nicht?

FORTUNATUS. Nein, Ihro Exzellenz, ich habe keins.

EHRENFRIED. Hört, Sekretär, ich habe jetzt mein Petschaft nicht bei der Hand, nehmt nur unterdessen Euers und siegelt damit.

HASENIUS. Ja, Ihro Exzellenz, ich habe auch keins.

EHRENFRIED. Wie denn Ihr, Herr Hauptmann?

FEUERFAX. Ihro Exzellenz und Hochgräfl. Gnaden, ich kann gar nicht schreiben.

EHRENFRIED. Ihr, Fähndrich, habt Ihr kein Petschaft?

FRIEDENSCHILD. Nein, Ihro Exzellenz, kein Petschaft habe ich nicht, aber einen galanten Stoßdegen habe ich, der steht Ihro Exzellenz zu Diensten, wenn Sie ihn verlangen, und auf denselben können Sie sich, der Tebel hol mer, verlassen.

EHRENFRIED. Hat denn keiner unter euch kein Petschaft nicht? Du, Hausdieb, hast du keines?

MUMMELMÄRTEN. Ihro Exzellenz, was wollt ich denn damit scheren, bin ich doch mein Lebtage in keine Schule gegangen.

EHRENFRIED. Hört, Sekretär, weil mein Kanzeleisiegel oder Hochgräfl. Petschaft nicht bei mir habe, so nehmt nur einen ganzen Groschen und siegelt damit. Es ist vor meine Untertanen gut genug.

HASENIUS. Wollen Ihro Exzellenz mir einen Groschen geben lassen?

EHRENFRIED. Habt Ihr denn kein Geld nicht?

HASENIUS. Ihro Exzellenz, ich führe selten Geld bei mir.

EHRENFRIED. Herr Kapitänleutenant, gebt doch den Sekretär einen ganzen Groschen.

FORTUNATUS. Ihro Exzellenz, ich werde wohl von Gelde gar nichts bei mir haben.

EHRENFRIED. Und ich habe auch nichts einzeln bei mir. Herr Hauptmann, habt Ihr kein einzeln Geld?

FEUERFAX. Ihro Exzellenz, ich werde wohl gar nichts haben.[261]

EHRENFRIED. Hat denn keiner kein Geld bei sich? Suchen alle in den Schübesäcken.

MUMMELMÄRTEN. Da hab ich noch einen Groschen, Ihr Exzellenz. Gibt dem Grafen einen Groschen.

EHRENFRIED. Du bist doch noch ein braver Kerl, wenn keiner kein Geld hat, so hast du welches.

MUMMELMÄRTEN. Je, was hülfe mich denn mein Stehlen, wenn ich keinen Groschen Geld haben wollte?

EHRENFRIED. Ei, das ist eine erschreckliche Schraube.

MIRAX. Ei, rühme du Vogel dich was Bessers!

MUMMELMÄRTEN. Was schiert's denn Euch? Wenn's mein Herr leiden kann, so hat sich so ein naseweiser Kerl, als wie Ihr seid, nichts drum zu bekümmern.

MIRAX. Wären Ihro Exzellenz nicht zugegen, ich wollte dir deinen diebischen Kopf zurechte setzen, du solltest dein Lebetage an mich gedenken.

MUMMELMÄRTEN. Ja, sie müssen noch alle dicke draußen liegen, welchen Ihr die Köpfe zurechte gesetzt habt.

HASENIUS. Wo ist denn der Groschen?

EHRENFRIED. Hier ist er. Da geht und siegelt den Befehl, damit er heute noch mit der Extrapost fortgeschickt wird.

HASENIUS. Ja, Ihro Exzellenz, es soll geschehen. Will abgehen.

EHRENFRIED. Hört, ruft. Sekretär!

HASENIUS kömmt wieder. Ihro Exzellenz?

EHRENFRIED. Da, nehmt die beiden Jäger mit in Euer Kabinett und nehmet sie in Pflicht, denn sie sollen bei mir Dienste haben.

HASENIUS. Es soll geschehen, Ihro Exzellenz.

EHRENFRIED. Diesem hier, der die drei Hasen auf der Eiche geschossen hat, gebt das Prädikat als Kammerjäger und dem da mit den siebzehn Rebhühnern als Hof- und Feldjäger.

HASENIUS. Wie Ihro Exzellenz befehlen.

EHRENFRIED zum Jägern. Gehet alle beide mit meinem Sekretär auf seine Stube, er soll euch in Pflicht nehmen,[262] und was die Besoldung und das Kostgeld anbetrifft, das soll euch mein Kapitänleutenant von meinen Handgeldern zahlen. Ich will euch schon eine gute Besoldung machen lassen, daß ihr damit vergnügt sein sollet.

MARODE. Es ist ganz gut, Ihro Exzellenz. Wir wollen auch schon dafür getreue Dienste leisten.

HASENIUS. So kommt mit mir in mein Kabinett.

SYLVESTER. Wir werden dem Herrn Sekretarichs folgen. Hasenius, Marode, Sylvester gehen ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 259-263.
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